Olpe – Da stehen die drei „Großen“ der Union auf einer Bühne und demonstrieren Geschlossenheit: CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder sind am Montagabend ins Sauerland gekommen, um für NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zu werben. Alle drei messen jeweils mehr als 1,90 Meter, ihr gemeinsamer Auftritt ist der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen geschuldet.
Hier kann Wüst knapp zwei Wochen vor der Wahl jede Unterstützung gebrauchen, CDU und SPD liegen gleichauf. Der Auftritt des Trios in Olpe wurde allerdings massiv von lautstarken Demonstranten gestört. Hunderte Besucher sind am Montag auf den Marktplatz gekommen, darunter rund 50, die mit Trillerpfeifen und Sirenen einen Höllenlärm machen. Sie schreien „Lügner“ und „Kriegstreiber“ in Richtung Bühne. Auf ihren Plakaten geht es um die Ukraine, aber auch um Corona.
Während Wüst zehn Minuten lang mit seinem Wahlprogramm dagegen anschreit, spricht Merz die Störer direkt an. „Wo sind Sie denn in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt? Das ist der Unterschied zwischen Olpe und Moskau. In Moskau wären sie schon längst vom Sicherheitsdienst abgeführt worden.“ Zu seinen umstrittenen Reiseplänen nach Kiew sagt Merz nichts. Er kritisiert natürlich die Bundesregierung, aber mit Markus Söder als Gast geht es noch um eine andere Botschaft: Bayern und NRW stehen Seite an Seite. Zum Beispiel wenn es um Mehrheiten gegen die Ampel-Regierung im Bundesrat geht.
Das war nicht immer so. Im Bundestagswahlkampf lautete das Motto Bayern gegen NRW oder besser gesagt Söder gegen Armin Laschet. Man darf ruhig noch einmal daran erinnern, wie Wüst damals auf Söders Sticheleien und Querschüsse in Richtung des Kanzlerkandidaten der Union reagiert hat. Belehrungen aus Bayern habe man nicht nötig, stellte Wüst klar und kritisierte „das Remake des Theaters Strauß gegen Kohl“.
Wüsts Haltung gegenüber Söder und dessen Hang zum kraftstrotzenden Mia-san-Mia, das der Bayer auch in Olpe bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus vorträgt, darf man weiterhin als skeptisch bezeichnen. Doch im Wahlkampf zählen die Gemeinsamkeiten. „Es ist ein langjähriger, guter Freund und NRW ist ein sehr, sehr starkes und wichtiges Land“, sagt Söder. Wüst und er sind politische Weggefährten. Beiden waren – fast zeitgleich – Vorsitzende ihrer Partei-Nachwuchsorganisation und später Generalsekretäre. Beide sprachen sich vor 15 Jahren in einem Grundsatzpapier für die Rückbesinnung der Union auf ihren konservativen Kern und für eine deutsche Leitkultur aus. Wüst – 46 Jahre alt und Vater einer 13 Monate alten Tochter – definiert bürgerlichen Konservatismus heute allerdings moderner. Manches aus dem Papier von damals sei vielleicht schon wieder überholt, sagte er kürzlich in einem Interview.
Am Montag ist Söder auch wegen eines anderen Papiers nach Nordrhein-Westfalen gekommen. Nach einer gemeinsamen Präsidiumssitzung fordern CDU und CSU eine Neujustierung der Außen- und Sicherheitspolitik. Zurück auf den Marktplatz in Olpe: Söder wettert gegen Genderwahn und Vorschriften in Sachen Fleischkonsum. Das kommt im Sauerland gut an. Doch die Trillerpfeifen verstummen nicht. Bis zum Schluss müssen die Politiker in, wie Merz es beschreibt, „hassverzerrte Gesichter“ blicken.
ALEXANDER SCHÄFER