Tel Aviv/Moskau – Ein Nazi-Vergleich des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit Bezug auf den Ukraine-Krieg hat vor allem in Israel für Empörung gesorgt. Die Regierung in Jerusalem verlangte eine Entschuldigung, das Außenministerium bestellte den russischen Botschafter Anatoli Wiktorow am Montag zum Gespräch ein. Auch in Kiew und Berlin löste Lawrow Entsetzen aus.
Lawrow hatte am Sonntagabend im italienischen Fernsehsender Rete4 die russische Kriegsbegründung wiederholt, in der Ukraine seien Nazis am Werk. Als Gegenargument werde gesagt: „Wie kann es eine Nazifizierung geben, wenn er (der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj) Jude ist? Ich kann mich irren. Aber Adolf Hitler hatte auch jüdisches Blut. Das heißt überhaupt nichts. Das weise jüdische Volk sagt, dass die eifrigsten Antisemiten in der Regel Juden sind.“
Israels politische Spitze zeigte sich entrüstet. Außenminister Jair Lapid sprach von einer „unverzeihlichen, skandalösen Äußerung, einem schrecklichen historischen Fehler“. Man erwarte eine Entschuldigung. Der Sohn eines Holocaust-Überlebenden aus Ungarn fügte hinzu: „Meinen Großvater haben nicht Juden umgebracht, sondern Nazis.“ Er empfahl Lawrow, in ein Geschichtsbuch zu schauen. „Die Ukrainer sind keine Nazis. Nur die Nazis waren Nazis. Nur sie haben die systematische Vernichtung der Juden vorgenommen.“
Israel hat traditionell sowohl zu Russland als auch zur Ukraine gute Beziehungen. Regierungschef Naftali Bennett hat seit Beginn des russischen Angriffskriegs mehrfach mit Kremlchef Wladimir Putin und mit Selenskyj gesprochen. Nach dem Affront durch Lawrow ist allerdings nur schwer vorstellbar, dass Israel sich weiter als Vermittler anbieten wird. SARA LEMEL