Eine ratlose Partei

von Redaktion

Nach dem überraschenden Rücktritt des Generalsekretärs sucht die CSU eine Nachfolge

München – Am Tag danach herrscht Katerstimmung in der CSU. Nur, dass es am Vorabend keine Party gegeben hat – sondern den Holterdipolter-Rücktritt des Generalsekretärs Stephan Mayer. Einen „schönen Tag“ wünscht Markus Söder am Morgen mit Grabesstimme, als er in der Parteizentrale vor die Kameras tritt. Nur dass es eben kein schöner, sondern ein bitterer Tag sei. Söder berichtet knapp von seinem langen Gespräch am Vortag mit Mayer. „Es geht ihm tatsächlich nicht gut.“ Eine „menschliche Tragödie“ laufe da ab.

Mayer behaupte, er könne sich „nicht genau erinnern“ an seinen Ausraster im Telefonat mit dem Journalisten. Söder mag diesen Lücken nicht recht trauen. Klar verurteilt er Mayers Wortwahl: „In keinster Weise zu akzeptieren“, niemand aus der CSU rede so. Drei, vier Minuten später ist das Statement schon wieder rum, die Cola light am Rednerpult unberührt, zwei schwere Wagen mit dunklen Fenstern rauschen aus der CSU-Tiefgarage.

Sie können sich selbst nicht erklären, was da passiert ist, in diesem ominösen Telefonat zwischen „Bunte“-Journalist und Politiker. „Ich werde Sie vernichten. Ich werde Sie ausfindig machen, ich verfolge Sie bis ans Ende Ihres Lebens“, soll Mayer gesagt haben. Und: „Ich verlange 200 000 Euro Schmerzensgeld, die müssen Sie mir noch heute überweisen.“ Mayer will sich an die Worte nicht erinnern, dementiert sie aber auch nicht. Nach nur zwei Monaten ist seine Amtszeit schon Geschichte.

Der CSU passt die Affäre überhaupt nicht in den Kram. Eigentlich wollte Söder mit der personellen Neuaufstellung aus der Defensive kommen, in die die Partei durch Corona-Frust und Maskenaffären geraten war. Nicht nur FDP-Fraktionschef Martin Hagen diagnostiziert, dass sich bei der „Fülle von Fehltritten, Skandalen und Affären“ zunehmend die Charakterfrage stelle. Söder braucht nun rasch einen neuen Plan – nur drängt sich für die Neubesetzung eigentlich niemand auf.

Das Anforderungs-Profil dürfte sich gegenüber der Suche vor zwei Monaten kaum verändert haben. Söder weiß, dass für die Landtagswahl das Oberbayern-Ergebnis entscheidend wird. Der neue General sollte also aus dem Süden kommen, am besten dem ländlichen Raum, und konservativ sein. Gleichzeitig sollte er (oder sie) in Talkshows eine gute Figur machen.

Gar nicht so leicht. In der Partei herrscht eine gewisse Ratlosigkeit. Die Lust auf Experimente dürfte Söder vergangen sein. Noch einen Fehlgriff kann er sich nicht leisten. Deshalb deutet manches darauf hin, jemanden aus dem Kabinett zu nehmen, wo alle Stärken und Schwächen bekannt sind. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber beispielsweise. Oder Justizminister Georg Eisenreich. Problem: Im Kabinett entstünde die nächste Personallücke, die es zu schließen gilt. Frei wäre dagegen Dorothee Bär, die zwar Talkshow könnte, aber weder konservativ noch Oberbayerin ist. Eher unwahrscheinlich. Auch eine Präsidiumsschalte gestern Abend brachte kein Ergebnis. Söder will sich ein paar Tage Zeit lassen.  mik/cd

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