Und nächste Woche NRW

von Redaktion

Die Berliner Parteizentralen richten den Blick am Wahlabend schon voraus

Berlin – Endlich, endlich mal ein Wahlabend, der Freude macht – so haben es sich mit Sicherheit viele im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin gedacht, als am Sonntagabend um 18 Uhr die ersten Zahlen zur Wahl in Schleswig-Holstein über die Bildschirme flimmerten. Nach dem 24,1-Prozent-Desaster bei der Bundestagswahl im vergangenen September und dem 28,5-Prozent-Debakel im März im Saarland schossen die Prognosebalken wieder mal wie in alten Zeiten nach oben. Für eine 4 vorne im Ergebnis muss die CDU bis ins Jahr 2017 zurückgehen, da holte sie im Saarland 40,7 Prozent.

Dass es trotzdem in der Berliner CDU-Zentrale keinen orkanartigen Jubel gab, war nur dem Umstand geschuldet, dass die Partei auf eine Wahlparty verzichtete. Generalsekretär Mario Czaja ließ sich trotz des Triumphes eine gute halbe Stunde Zeit, bis er mit einem norddeutschen „Moin“ vor die Mikrofone trat. Und norddeutsch unterkühlt klang auch seine Bewertung: „ein schönes Ergebnis“.

Nicht nur für Ministerpräsident Daniel Günther ist dieses „schöne Ergebnis“ wichtig – auch für den neuen Parteichef Friedrich Merz, der damit seinen ersten Erfolg verbuchen konnte. Die CDU hofft nun, dass ihr das Ergebnis aus Schleswig-Holstein Rückenwind für die kommende NRW-Wahl verschafft. Dort liegt sie mit der SPD in den Umfragen in etwa gleichauf.

Für die SPD kam das Wahlergebnis hingegen nicht überraschend. Dass Herausforderer Thomas Losse-Müller gegen den populären CDU-Mann Günther kaum eine Siegchance hatte, war eingepreist im Willy-Brandt-Haus. Dass es nun aber nicht einmal für Rang zwei reichte, schmerzt die Genossen. Parteiintern erklärt man sich das damit, dass sich früh abzeichnete, dass die SPD keine Regierung führen würde. Deshalb hätten viele Sympathisanten die Grünen gewählt. Was nicht laut gesagt wird: Auch die Performance ihres Kanzlers Olaf Scholz in den vergangenen Wochen wird nicht ohne Folgen geblieben sein. Wegen seiner zurückhaltenden Politik im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und seines für viele drögen Kommunikationsstils steht Scholz mehr und mehr im öffentlichen Gegenwind.

Größere Sorgen dürfte man sich im Willy-Brandt-Haus wegen des kommenden Wochenendes machen. Dann steht im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen die wohl wichtigste Landtagswahl des Jahres an, ein entscheidender Stimmungstest auch für die Ampel-Regierung im Bund. Die SPD hat im Wahlkampf voll auf den Kanzler-Effekt gesetzt – was sich angesichts der momentanen Stimmung im Nachhinein als riskant herausstellen könnte.

Für die Grünen waren die Zugewinne Balsam für die Seele, die beim knappen Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde im Saarland doch ziemlich Schaden genommen hatte. Völlig überraschend kam der Erfolg nicht. Denn in der Publikumsgunst liegen Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock weit vorn.

Der Rest ist schnell erzählt: Für die FDP, die im Saarland ebenfalls den Sprung ins Parlament verpasste, sind die Verluste im Norden schmerzhaft. Die Linke setzt ihren freien Fall fort und bei der AfD dürfte der Umstand, dass sie offenbar erstmals wieder aus einem Landtag fliegt, für neuen Ärger sorgen. U. STEINKOHL, T. MÜNCH

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