Sturz aus dem Kieler Landtag

Ein Menetekel für die AfD

von Redaktion

GEORG ANASTASIADIS

Als junge, ungestüme Kraft feiert sich die AfD gern. Doch beim Erfinden von Ausreden ist die „Alternative“ längst zu einer jener Altparteien mutiert, die sie sonst so gerne schmäht. Den Sturz aus dem Kieler Landtag und das erstmalige Scheitern an der 5%-Hürde in einem Landesparlament quittierte der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla routiniert mit dem Hinweis auf angeblich „regionale Gründe“ der Havarie. „Regional“ aber sind die Querelen, von denen der schleswig-holsteinische Landesverband erschüttert wurde, keineswegs. Als derselbe Intrigantenstadel präsentierte sich die AfD zuvor fast überall. Ergebnis: Bei den Wahlen in Baden-Württemberg, Berlin und Rheinland-Pfalz verlor die AfD 2021 ein Drittel ihrer Wähler.

Das Debakel an der Küste ist mehr als der Betriebsunfall, als den die Parteispitze die Sache betrachtet sehen will. Die offen ausgetragenen Streitigkeiten sind Ausdruck eines erbitterten Machtkampfs, den der Thüringer Björn Höcke mittlerweile klar für sich entschieden hat. Die AfD zahlt nach dem Hinausdrängen des gemäßigten Flügels und dem Parteiaustritt von Ex-Parteichef Jörg Meuthen den Preis für ihre Verpuppung zu einer rechtsradikal bis rechtsextrem auftretenden Partei mit klar ostdeutscher Ausrichtung. Im Osten ersetzt die AfD mehr und mehr die Linke als Sprachrohr der Zukurzgekommenen. Im Westen hingegen konnte sie zuletzt nicht mal mehr von der Wut vieler Bürger über die Corona-Politik profitieren.

Aus der vorgeblich bürgerlichen Kraft, als die sich die AfD in der Merkel-Ära zu profilieren suchte, ist ein Beobachtungsfall für den Verfassungsschutz geworden. Deutschlands Rechte ist, wenn man so will, den umgekehrten Weg gegangen, den Marine Le Pens „Front National“ in Frankreich eingeschlagen hat. Mit Höckes gerade angekündigter Kandidatur für den Bundesvorstand steht die Verwandlung vor ihrem Abschluss. Jedenfalls im Westen hat sich diese vulgäre „Alternative“ in weiten Teilen des Bürgertums unwählbar gemacht.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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