München – Es klingt wie eine Geschichte aus einer fernen Vergangenheit, dabei ist es erst vier Jahre her. Im April 2018 hielt Markus Söder seine erste Regierungserklärung als Ministerpräsident, und sie war so vollgepackt, dass gestandenen Abgeordneten die Kinnlade runterfiel. Raumfahrtprogramm, Grenzpolizei, neue Gerichte, Gigabit-Netz, Hyperloop mit Tempo 1000, neues Staatstheater, 500 000 Wohnungen, 18 000 Studienplätze, das einzigartige Familiengeld, 10 000 Hortplätze, Reiterstaffeln – und das ist nur eine winzige Auswahl der 100 Versprechen.
Der Zig-Milliarden-Plan war Söders Einstand. Mit Blick auf die Wahl 2018 umriss er seinen Stil: Investieren, anschieben, groß denken statt klein sparen. „Das Beste für Bayern“, taufte er die Mega-Liste.
Es kam anders. Manche Projekte setzte Söder exakt um (Familiengeld), andere waren schlicht haltlose Versprechen (Wohnungen), ein Rest wurde auch von Corona weggefegt. Jetzt, im Schatten von Ukraine-Krieg, Inflation und Wirtschaftskrise, hat sich die Lage komplett gedreht: Ein großes Bayern-Projekt nach dem anderen kommt ins Wanken. Man müsse sich „ehrlich machen“, bekennen CSU-Minister nüchtern.
Bereits bekannt: Der Konzertsaal für München, schon vor Söder eingeleitet, wird verschoben. Die Baukosten steuern auf die Milliardengrenze zu, die Skepsis der Landespolitiker ist enorm. Intern raunen sie, weitere Großprojekte würden überdacht, etwa das mit 200 Millionen kalkulierte Natur-Museum „Biotopia“ in München.
Hinter den Kulissen haben die Gespräche über den neuen Haushalt für 2023 begonnen – in den Ministerien, auch unter Fachpolitikern im Landtag. Der CSU-Fraktionsvorsitzende Thomas Kreuzer kündigt jetzt an, dass es harte Entscheidungen geben wird. „Vor der Sommerpause müssen wir eine Zwischenbilanz in der Koalition ziehen, was in dieser Legislaturperiode noch für Schwerpunkte gesetzt werden und wo man auch das eine oder andere Großprojekt verschieben muss“, sagt er unserer Zeitung. „Mit Blick auf die unsichere wirtschaftliche Lage ist einfach nicht alles möglich.“
Kreuzers Prioritäten: Die Hightech-Agenda, immerhin 3,5 Milliarden Euro, will er nicht antasten. Auch soll Geld für den Umstieg auf eine unabhängige Energieversorgung für Bayern fließen. Bei den Familien-Leistungen soll es zumindest keine generellen Einschnitte geben. „Das eine oder andere werden wir hier sogar noch abrunden“, sagt Kreuzer: „Wir werden zum Beispiel über ein bayerisches Gehörlosengeld reden.“ Kein Spar-Schock also, aber ein Umsteuern. Auch für den Wahlkampf 2023: „Für großartige neue Versprechen ist nach Corona und in der Ukraine-Krise kein Raum. Das wäre nicht seriös.“
Erschwerend kommt hinzu: Auch der Bund bremst, besonders in Bayern. Mehrere Projekte wackeln. So werden die Millionen für das Mobilitätszentrum für München gestrichen. Mehrere Landespolitiker berichten, dass sogar eines der größten Verkehrsprojekte Deutschlands wackele: der sanfte Ausbau der Donau, auf 1,43 Milliarden Euro taxiert. Die Ampel-Koalition, vor allem die Grünen, seien hier skeptisch, heißt es. Vielleicht werde das laufende Projekt gestoppt oder nur der Teil des Hochwasser-Schutzes realisiert.
Kreuzer bestätigt: „Wir hören, dass der Donau-Ausbau akut gefährdet sei.“ Er warnt, man bekomme „massiv eine Anti-Bayern-Koalition in Berlin zu spüren – wir müssen kolossal wachsam sein“.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER