München – Der Zeuge wirkt entspannt. Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, schlendert er über den Landtagsflur. Drinnen im Saal stellt er sich wortlos an die Zeugenbank. Der Blick schweift ins Weite, über all diese unbedeutenden Köpfe hinweg. „Sauter Alfred, 3.8.50, Rechtsanwalt und Abgeordneter“, raunt er dann, und: „Keine Aussage.“
Sein gutes Recht. Man muss ihn, den ehemaligen Justizminister, einen der bestvernetzten Anwälte Bayerns, nicht mal darauf hinweisen. Weil eines der Masken-Verfahren gegen ihn noch nicht ganz abgeschlossen ist, muss Sauter vor diesem Untersuchungsausschuss keinen Pieps sagen. Er dürfte natürlich freiwillig Angaben machen, aber zeigt mit jeder Faser, jeder Geste, dass er das für unnötig hält.
Fast etwas schade, denn für den Ausschuss ist der Ex-CSU-Mann eine der Schlüsselfiguren. Sauter und der frühere Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein sollen 2020 für die Vermittlung von Masken-Geschäften Geld bekommen haben, angeblich je 1,2 Millionen Euro. Die zwei Schwaben nutzten die Not in der Pandemie-Frühphase und fädelten über ihre CSU-Kontakte die Deals ein. Gut möglich, dass das nicht mal illegal war, dass am Ende beide ihre Provisionen behalten dürfen und die Razzien in ihren Büros sogar als Unrecht gelten. Die moralische Seite ist eine andere: Selbst jene Parteifreunde, die jahrzehntelang bei Sauters reger Doppel-Geschäftstätigkeit als Anwalt und Abgeordneter wegsahen, waren entrüstet. Sauter wurde aus der Fraktion gedrängt, auch keine Chance auf Wiederwahl, Nüßlein hat den Bundestag bereits verlassen.
Auch er wird befragt an diesem Tag, auch er schweigt. So wie jeder Zeuge dieses Tages. Manche verweigern höflich ihre Aussage, andere herablassend. Einer bringt einen Anwalt mit, der – in ausgebeultem Polohemd und Turnschuhen – den Ausschuss seine Langeweile spüren lässt.
Auch die Hauptzeugin fehlt – Andrea Tandler, die Tochter eines früheren CSU-Politikers, meldet sich zum zweiten Mal krank. Sie hat aberwitzig viel an den Masken-deals verdient, wohl 48 Millionen Euro. Auch sie hätte wohl die Aussage verweigert, diesmal platzt dem Ausschuss der Kragen: Der Vorsitzende Winfried Bausback (CSU, auch ein ehemaliger Justizminister übrigens) schickt Tandler jetzt den gerichtsärztlichen Dienst.
Wird das Licht in die düsteren Masken-Affären bringen, bei denen es nun mehr um fehlende Moral als um Rechtsbruch zu gehen scheint? Der U-Ausschuss erreicht einen toten Punkt. Im Saal wird kaum Neues ermittelt. Statt dessen setzt draußen das übliche Spiel ein: Oppositionsabgeordnete spielen vertrauliche Akten einzelnen Journalisten zu, die daraus möglichst skandalträchtig klingende Artikel machen, damit die Politiker tags darauf „Enthüllungen“ entrüstet kommentieren können.
Nicht hinter allem steckt ein Riesen-Skandal. So kursiert am Donnerstag die Story, dass Ministerpräsident Markus Söder im März 2020 energisch auf den Kauf von Masken über ein Passauer Unternehmen gedrängt habe, einem Staatssekretär eine eindringliche SMS geschrieben habe („Müsst ihr nehmen“). Allerdings steht auch in einem Aktenvermerk, dass Söders Leute ebenso dringend Absicherungsklauseln, Rücktrittsrecht und feste Lieferfristen verlangten. Die Masken (13 Millionen Stück für 18 Millionen Euro) wurden nach München geliefert, mangelhafte Chargen später wie gefordert ausgetauscht.
Mondpreise, Provisionen, Filz? Bisher jedenfalls bei diesem einen Vertrag nicht bekannt. Um Entrüstung bemüht sich diesmal besonders Ausschuss-Vize Florian Siekmann (Grüne). Einzig Söders Druck habe ein „Beschaffungssystem ausgehebelt“, klagt er. CSU-Mann Bausback kontert, in solch schweren Krisen müsse die Politik Entscheidungen beschleunigen.
Der Ausschuss wird im Sommer auch Söder noch als Zeugen vernehmen. Er wird aussagen müssen, vermutlich ein Spektakel über mehrere Stunden. Das ist meistens der rituelle Höhepunkt in einem U-Ausschuss, ob mit oder ohne Neuigkeitswert.
An diesem Tag jedenfalls sieht man den erfolglos einvernommenen Sauter, Alfred, wieder in großer Ruhe aus dem Saal schreiten. An der nächsten Ecke dreht er sich noch mal um. Er gähnt.