Habeck: Es geht auch ohne Putins Gas

von Redaktion

VON KLAUS RIMPEL

München/Berlin – Wladimir Putin hat Gegen-Sanktionen verhängt und die früheren ausländischen Gazprom-Töchter komplett vom Gashandel mit Russland ausgeschlossen. Doch Energieminister Robert Habeck (Grüne) hält die Auswirkungen dieser russischen Sanktionen für „überschaubar“. Täglich würden jetzt zehn Millionen Kubikmeter Gas aus Russland nicht mehr geliefert, sagte der Grünen-Politiker. „Das ist eine Menge, die kompensierbar ist. Und die Unternehmen sind dabei, das Gas über andere Quellen zu beschaffen.“ Der Großhandelspreis sei um 14 Prozent gestiegen. „Das ist nicht schön, aber es entspricht den normalen Schwankungen seit Kriegsbeginn.“

Die Sanktionierung der Gazprom-Germania-Töchter bedeute, dass Lieferverträge neu geschlossen werden müssten „und dann möglicherweise zu höheren Preisen“, räumte Habeck ein. Der Wirtschaftsminister zeigte sich zuversichtlich, dass Deutschland schon in diesem Winter einen Boykott russischer Gaslieferungen verkraften könnte. Wenn man zum Jahreswechsel volle Speicher habe, wenn zwei der vier angemieteten schwimmenden LNG-Terminals schon am Netz angeschlossen seien „und wenn wir deutlich an Energie sparen, können wir im Fall eines Abrisses der russischen Gaslieferungen einigermaßen über den Winter kommen“, sagte er der „Wirtschaftswoche“.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagte, dies bedeute, dass jetzt alle Register gezogen werden müssten, um die Speicher auch wirklich zu füllen. So müsse die Situation des österreichischen Gasspeichers Haidach geklärt werden, der auch Bayern beliefert. „Das Prinzip Hoffnung reicht nicht mehr“, kritisierte Aiwanger. Es müssten Maßnahmen eingeleitet werden, um Gas gezielt einzusparen und die Speicherbefüllung zu beschleunigen. „Der Bund pokert zu hoch, wenn er jetzt nicht handelt“, sagte Bayerns Energieminister.

Habeck setzt hingegen auf freiwillige Einsparungen: Wenn Industrie und Privatleute zehn Prozent des Verbrauchs einsparten, „dann sind das die entscheidenden Prozente, um nicht in eine Notlage zu geraten. Da sollten alle mitmachen.“ Zwei der vier für Deutschland georderten Flüssiggas-Terminals ersetzen laut Habeck knapp ein Viertel der russischen Erdgas-Importe.

Trotz der Fortschritte warnte Habeck auch vor den wirtschaftlichen Risiken eines Stopps russischer Gaslieferungen. „Auch unter den genannten Voraussetzungen wären die Gaspreise dann sicherlich sehr hoch und die Speicher am Ende des Winters leer.“

Tobias Federico, Energieexperte von Energy Brainpool, stimmt Habeck darin zu, dass Deutschland auch ohne russisches Gas über den Winter kommen kann, „sofern die Erdgasspeicher bis Oktober mindestens zu 80 bis 85 Prozent gefüllt werden können und es gelingt, in Raketengeschwindigkeit mindestens zwei LNG-Terminals zu bauen“. Gebe es bei einem der Ziele Verzögerungen, „dann wird es im Januar oder Februar kritisch – vor allem bei einem kalten Winter“, so der Energieexperte im Gespräch mit unserer Zeitung.

Federico vergleicht Putins Gegen-Sanktionen „mit einem Vater, der seinen Kindern droht mit: Ich zähle bis drei! Putin hat zu zählen begonnen, aber noch nicht gesagt, wie das Donnerwetter aussehen wird“. Derzeit sei der Gas-Zufluss nach Deutschland jedenfalls noch nicht verringert. Die Energie-Situation sei bisher „angespannt gewesen, jetzt ist sie angespannter“, so sein Fazit.

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, erklärte, von Putins Sanktionen seien nur Handels- und Speichertöchter von Gazprom Germania betroffen, nicht aber Netzbetreiber. Russland könne also weiter Gas liefern, nur an andere Händler. Es handle sich um ein „sehr planvolles, präzises Dekret, um weiter mit Deutschland Geschäfte tätigen zu können, aber nicht mehr zu den alten Vertragskonditionen“.

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