„Für Scholz wird es jetzt noch anstrengender“

von Redaktion

Politik-Expertin Münch erklärt, wie sich das Wahlergebnis auf die Ampel im Bund auswirkt

Der Kanzler war für die SPD in NRW Ballast statt Booster – wie geschwächt ist Olaf Scholz?

Das Ergebnis tut ihm nicht gut. Durch die Gegenüberstellung mit den Grünen werden Licht und Schatten noch deutlicher: Das Licht von Baerbock und Habeck wirkt sich wie Schatten auf Scholz aus. Vieles, was Scholz zur Ukraine äußert, kommt zwar in der Bevölkerung durchaus an. Aber er wird ständig mit dem Attribut des Zögerlichen bedacht. Das wollen die Leute nicht.

Ist der Erfolg der Grünen in NRW allein Baerbock und Habeck zu verdanken?

Die Art, wie die beiden kommunizieren, kommt ausgesprochen gut an. Auch da gilt: Was beim Kanzler vermisst wird, zeichnet die Grünen im Augenblick aus. Man muss aber auch sagen: Es ist vor allem ein Landesergebnis. Offensichtlich erhielt die Spitzenkandidatin Mona Neubaur nicht nur Rückenwind, sondern wirkte auch selbst. In NRW waren viele unzufrieden mit der Energie- und Kohlepolitik, aber auch der Schulpolitik, von CDU und FDP. Und die Grünen haben eine starke Mobilisierung geschafft: In absoluten Ergebnissen haben nur die Grünen viel gewonnen.

Der FDP droht die Verzwergung. Tut den Liberalen die Regierungsverantwortung nicht gut?

Man muss das größer einordnen. Bei der Landtagswahl 2017 hatte die FDP in NRW wegen des Spitzenkandidaten Lindner ein sehr gutes Ergebnis. Das war der Ausrutscher –und nicht die Wahl am Sonntag. Nichtsdestotrotz ist das Ergebnis nicht sehr gut. Es ärgert die FDP unheimlich, dass der Koalitionspartner im Bund viel besser abgeschnitten hat. Man rivalisiert zum Teil ja um die Wähler.

Die FDP wird lauter werden. Sprengt das die Ampel?

Ich sehe die Ampel nicht akut bedroht. Aber die FDP wird lauter werden, das stimmt. Sie wird erkennen, dass die Stammwähler durch das Aufgeben des Konsolidierungskurses verärgert sind. Aber sie wird auch nicht glaubwürdiger, wenn sie jetzt sagen würde, wir haben uns das doch anders überlegt mit den 100 Extra-Milliarden für die Bundeswehr. Wir erinnern uns: Vor der Ukraine-Krise hatte sich ja eher die FDP in den Vordergrund gespielt. Da dachte man, dass die Grünen die falschen Ministerien hätten, um sich zu profilieren. Das hat sich erst durch den Krieg geändert.

Scholz wird Mühe haben, zwischen den Partnern zu schlichten.

Das Tagesgeschäft des Regierens wird anstrengender, wenn man sich mitten in einer globalen Sicherheits- und Energiekrise auch noch gekränkten Eitelkeiten zuwenden muss. Eigentlich hat er dafür keine Zeit, aber die wird er sich nehmen müssen. Die FDP wird aber nicht völlig am Rad drehen.

In NRW kommt wohl Schwarz-Grün, eine Ampel wäre aber möglich. Wäre das clever, wenn man die Ampel im Bund ansieht?

Aus Sicht der Grünen spricht viel für eine Koalition mit der CDU. Der kann man einiges abverlangen – inhaltlich, aber auch mehr Ministerien. Ich habe nicht den Eindruck, dass die SPD in die Verlegenheit einer Ampel kommen wird.

Schwarz-Grün – ist das die Vorlage für die nächste Bundesregierung?

Es ist viel zu früh, das zu sagen. Die SPD hat nach der Bundestagswahl das „Jahrzehnt der Sozialdemokratie“ ausgerufen. Das sehen wir natürlich nicht. Das Jahrzehnt der Grünen aber auch nicht. Ich würde eher sagen: Wir leben im Jahrzehnt der Wechselwähler.

Interview: Carina Zimniok

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