Washington – Jessica Jones (27), eine Mutter aus San Antonio (Texas), hat wie Millionen andere Frauen in den USA seit einigen Wochen eine neue zeitraubende Aufgabe: die Suche nach Babynahrung, die in fast allen Drogerien und Supermärkten ausverkauft ist. Noch bis mindestens August sollen nach Angaben der US-Regierung die Lieferengpässe andauern. Der Staat hatte einen Produktionsstopp bei einem großen Hersteller erlassen – wegen Verdachts auf Verunreinigungen. Die Situation für Amerikas Mütter ist mittlerweile so prekär, dass Frauen in grenznahen Regionen stundenlange Trips nach Mexiko oder Kanada in Kauf nehmen, um sich dort einzudecken. Inzwischen werden sogar Fälle gemeldet, wo Privatleute Babynahrung zu Wucherpreisen online anbieten – doch die Dosen sind dann nur mit Mehl gefüllt.
Der Mangel ist nur eines von zahlreichen Problemen, die US-Präsident Joe Biden in die Defensive gedrängt haben. Sechs Monate vor den wichtigen Kongress-Zwischenwahlen im November fällt er auf Tiefstwerte in den Umfragen. Fast alle leiden unter Spritpreisen, die sich innerhalb der letzten zwei Jahre verdreifacht haben. Hinzu kommt eine Inflationsrate von gut acht Prozent – ähnlich wie in Deutschland.
Nach 18 Monaten im Amt sind nur noch 39 Prozent der US-Bürger mit der Arbeit des 79-jährigen Demokraten zufrieden, der 2024 wieder antreten und eine Trump-Renaissance verhindern möchte. 75 Prozent sagen, das Land bewege sich in die falsche Richtung. Noch im März letzten Jahres hatte die Zustimmungsquote für den Präsidenten 62 Prozent betragen.
Das Weiße Haus versucht angesichts dieses Absturzes gegenzusteuern, indem es nach Sündenböcken sucht. Für die anhaltende Teuerung – das für die Bürger wichtigste Thema – sieht Biden Wladimir Putin als Hauptschuldigen, der durch den Angriffskrieg die Energiepreise in die Höhe getrieben habe. Aber Biden argumentiert auch, dass Großunternehmen nicht genug Steuern zahlten, was die Inflation weiter anheize. Eine unter Ökonomen umstrittene These, der am Montag der Amazon-Gründer Jeff Bezos vehement auf Twitter widersprach. Bezos empfahl sogar mit einer Portion Ironie, die vom Weißen Haus kürzlich ins Leben gerufene Sonderabteilung zur Aufdeckung von Desinformation möge sich doch mit irreführenden Behauptungen Bidens zur Inflation befassen.
In Washington wird inzwischen unter Demokraten diskutiert, ob Biden überhaupt noch einmal antreten solle – oder ob es nicht besser wäre, jetzt schon einen chancenreicheren Bewerber aufzubauen. Denn die Nachrichten dürften kaum besser werden. Zum einen scheint der Kursverfall an der Wall Street, der durch die Zinspolitik der US-Notenbank eingeleitet wurde, noch nicht abgeschlossen.
Zum anderen droht in diesem Sommer ein historischer Ansturm von Migranten auf die Südgrenze der USA. Biden will in diesem Monat eine Regelung der Trump-Regierung aus Corona-Zeiten beenden, die eine zügige Zurückweisung von Bewerbern ohne gültige Papiere erlaubte. Da eine Mehrheit der US-Bürger eine geregelte Einwanderung und sichere Grenzen möchte, dürfte dies für das Weiße Haus zu weiterem Ballast werden.
Hinzu kommt noch, dass die Regierung Berichten von Grenzschützern zufolge in Lagerhallen an der Grenze ein kostbares Gut für Migranten hortet, nach dem Frauen in den USA derzeit verzweifelt suchen: Paletten mit Babynahrung.