„Hauen und Stechen“: Söder legt Öko-Plan offen

von Redaktion

Gas-Krise und Klimaschutz: Bayern will seine regenerative Stromerzeugung bis 2030 verdoppeln

München – In der Politik redet Markus Söder lieber über große Linien als über Kleinigkeiten. Aber diesmal gelobt er fast feierlich: „Jedes Fitzelchen soll gebracht werden.“ Jede noch so kleine Anlage soll helfen, den Anteil erneuerbarer Energien in Bayern zu erhöhen. Um den Streit über die Windkraft zu entschärfen, hat der Ministerpräsident nun ein Gesamtkonzept vorgelegt und gestern nach Berlin geschickt.

Schlüsselsatz: Bis 2030 will Bayern die Stromerzeugung aus regenerativen Energien verdoppeln. Abgestimmt zwischen CSU und Freien Wählern sind dafür als Beiträge:

Die Photovoltaik soll bis 2030 in Bayern gut verdreifacht werden, auf 40 TWh. Jedes geeignete Staats-Dach soll eine Anlage bekommen, Parkplätze und P&R-Flächen sollen damit überdacht werden, Bayern plant zudem Vorbild-Projekte auf mehreren landwirtschaftlichen Staatsgütern, darunter Grub im Landkreis Ebersberg. Eine Solarpflicht für private Neubauten soll es weiterhin nicht geben. In der Koalition hat man Angst vor dem Ärger der Häuslebauer, wenn die Kosten steigen und die Module am Ende ausverkauft sind. Stattdessen fordert Söder den Bund auf, entlang aller Autobahnen Solaranlagen aufzustellen. Die schmalen Streifen neben den Straßen gehören zumeist dem Bund.

Die Wasserkraft will Bayern um 15 Prozent aufstocken, unter anderem an der Salzach. Hier gibt es weiterhin Ärger mit dem Bund, der für kleine Anlagen die Förderung zusammenstreichen will.

Auch die Bioenergie soll bis 2030 um 15 Prozent steigen. Bei der Geothermie wird ein Plus von 25 Prozent angepeilt, allerdings erst 2050 und vor allem in Nordbayern.

Bei der Windkraft schickt Söder dem Bund die Vorschläge, auf die sich CSU und Freie Wähler nach ausführlichem Zähneknirschen festgelegt haben. Die 10H-Regel soll bleiben, wird aber so aufgeweicht, dass mindestens 800 neue Anlagen entstehen können, falls die Investoren Interesse haben. Es gebe „sehr grundlegende und großzügige Ausnahmen“, sagte Söder. Etwa in Wäldern, an Autobahnen, vierspurigen Bundesstraßen oder Haupteisenbahnstrecken sowie in ausgewiesenen Vorranggebieten sollen 1000 Meter Mindestabstand genügen. An vielen Projekten sollen Bürger direkt beteiligt werden. Zielmarke sind zwei Prozent der Landesfläche. „Da werden wir uns richtig reinhängen“, verspricht er.

Das ist der heikelste Punkt. Falls dem Bund die bayerischen Windkraft-Zugeständnisse zu mau sind, kann Klimaminister Robert Habeck (Grüne) die 10H-Regel von Berlin aus streichen. Die CSU fürchtet das und warnt in dramatischen Worten davor. „Wenn man alles streicht, gibt es Unfrieden und Streit auf den Dörfern“, sagt Söder, „Hauen und Stechen, böses Blut“ bei jedem neuen Windrad. Von einem „Spargel-Schock“ spricht er diesmal.

Habeck, der mit Söder deshalb heuer mehrfach telefonierte und SMS schrieb, legt sich bisher nicht fest. Er will sich das Konzept aus Bayern, 30 Seiten dick, in Ruhe ansehen. Bayerns Grüne werfen der Staatsregierung weiterhin vor, es nicht ernst zu meinen mit dem Windkraftausbau. Fraktionschef Ludwig Hartmann, der mit Habeck in engem Kontakt steht, sagte, die Pläne seien halbherzig: „Söders Worte erinnern an den Sprung in einer Schallplatte: Die Lockerungen werden von ihm seit einem Jahr angekündigt, aber wirklich weiter geht nichts.“ 10H bleibe der wahre Gegner.

Das Thema grüne Energie hat durch den Ukraine-Krieg noch mal mehr Brisanz bekommen, über Klimafragen hinaus. Bayern ist viel stärker abhängig von russischem Gas als andere Länder. Söder und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger warnten am Dienstag noch mal eindringlich vor einem schnellen Embargo.

Teil des bayerischen Konzeptes ist deshalb auch, die Atomkraftwerke länger laufen zu lassen. So soll Gas eingespart werden, das bisher verstromt wird. Söder verlangt außerdem eine neue Gas-Pipeline im Süden, um Bayern über das Mittelmeer mit Gas oder Wasserstoff unter anderem aus Nordafrika und den arabischen Emiraten versorgen zu können. Die neue Leitung müsse bis 2030 stehen. C. DEUTSCHLÄNDER

Artikel 1 von 11