Das Ringen um die Sterbehilfe

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

Berlin/München – In Würde zu sterben ist der letzte Wunsch vieler Menschen, wenn der Tod naht. Sind die Schmerzen unerträglich, kann der Gedanke immer stärker werden, seinem Leben ein Ende zu setzen. Das Grundgesetz garantiert jedem Menschen das Recht auf selbstbestimmtes Sterben. 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass dazu auch das Recht gehöre, beim Sterben die Hilfe in Anspruch zu nehmen. Damit kippte Karlsruhe die Regelung von 2015, nach der organisierte Suizidassistenz von Sterbehilfeorganisationen (geschäftsmäßige Sterbehilfe) verboten wurde. Nun muss vom Gesetzgeber eine Folgeregelung gefunden werden – und dazu fand gestern im Bundestag eine Orientierungsdebatte statt. Wichtig: Der Begriff „geschäftsmäßige Sterbehilfe“ hat nichts mit Geldverdienen zu tun, sondern bedeutet, dass es „auf Wiederholung angelegt“ sei – was bei Sterbehilfevereinen der Fall ist. Drei parteiübergreifende Vorschläge stehen zur Diskussion:

. Nach dem Entwurf einer Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci (SPD) und Benjamin Strasser (FDP) soll die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe gestellt werden – aber mit einer Ausnahme für Volljährige: Um die freie Entscheidung ohne inneren und äußeren Druck festzustellen, sollen zwei Untersuchungen durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Abstand von drei Monaten und eine ergebnisoffene Beratung vorgegeben werden.

.  Eine Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP), Petra Sitte (Linke) und Helge Lindh (SPD) schlägt eine Neuregelung außerhalb des Strafrechts vor. Sie soll „das Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ absichern und klarstellen, dass die Hilfe zur Selbsttötung straffrei möglich ist“. Vorgesehen ist ein breites Beratungsangebot. Ärzte sollen Mittel zum Zweck der Selbsttötung verschreiben dürfen, wenn sie „von der Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit des Sterbewunsches“ ausgehen. Seit der Beratung müssten zehn Tage vergangen sein.

. Die Grünen-Abgeordneten Renate Künast und Katja Keul wollen ein „Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben“. Es gehe darum, Betroffenen mit klaren Kriterien einen Zugang zu bestimmten Betäubungsmitteln zu schaffen. Unterschieden werden solle zwischen Menschen, die an schweren Erkrankungen leiden, und Suizidwünschen aus anderen Gründen. Vor der Abgabe tödlicher Mittel sei eine verpflichtende Beratung angemessen und verhältnismäßig.

Der Deutsche Ethikrat bereitet derzeit eine Stellungnahme zu den „Voraussetzungen einer freiverantwortlichen Entscheidung für einen Suizid“ und einer Assistenz dazu vor. Die Ergebnisse sind unter Verschluss. Als Mitglied des Ethikrates erklärte aber Professor Andreas Lob-Hüdepohl von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin auf Anfrage, es sei zu akzeptieren, dass ein Mensch, sofern er es freiverantwortlich entscheidet, aus dem Leben scheiden will. Der Staat dürfe das nicht verhindern – „aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich einen Anspruch darauf habe, dass der Staat mir dazu die Gelegenheit oder die Mittel verschafft“.

Schwierig sei aber die Feststellung, wann ein Mensch freiverantwortlich entscheide. In jedem Fall müsse alles dafür getan werden, „dass Menschen erst gar nicht in die Lage kommen, als einzigen Ausweg den Suizid zu sehen“. Lob-Hüdepohl hält es für ausgesprochen wichtig, dass die Prävention ausgebaut werde. Er ist davon überzeugt, dass das unbedachte Agieren von Sterbehilfevereinen in der Altenhilfe hochproblematisch ist, „weil sich Menschen in fortgeschrittenem Alter oder bei fortgeschrittener Krankheit gedrängt sehen könnten, eine Suizidassistenz in Anspruch zu nehmen“. Es werde offensiv Werbung gemacht – „und dass muss in jedem Fall unterbunden werden“.

Rund um die Sommerpause soll ein Gesetz auf den Weg gebracht werden. Die Abgeordneten im Bundestag hoffen auf eine umfangreiche Neuregelung bis zum Jahresende.  (mit dpa)

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