Nordkorea kämpft ganz für sich allein

von Redaktion

Nach dem Corona-Ausbruch droht dem Land ein Gesundheitsnotstand – Hilfsangebote bleiben unbeantwortet

Seoul – Seit Tagen wartet Südkorea vergeblich auf Antwort aus Nordkorea. In dem abgeschotteten Nachbarland grassiert das Coronavirus, und die Regierung in Seoul bietet Hilfe an: Sie will Impfstoffe und medizinische Versorgungsgüter liefern. Doch Pjöngjang bleibt stumm. „Wir haben bisher keine Antwort“, sagt eine Sprecherin des Vereinigungsministeriums. Dabei hatte die kommunistische Führung unter Machthaber Kim Jong Un schon in der vergangenen Woche eingeräumt, der Staat erlebe den „ernsthaftesten Notfall“. Das Problem: Es gibt in dem verarmten, aber hochgerüsteten Land keine Impfstoffe für eine flächendeckende Versorgung, das Gesundheitssystem gilt als rückständig. Auch China bot Unterstützung an.

Als eines der letzten Länder der Erde hatte Nordkorea offiziell bestätigt, dass es Infektionsfälle gebe. Dann hieß es, bei einem Toten sei die Omikron-Subvariante BA.2 nachgewiesen worden. Seit Ende April schoss demnach die Zahl fieberbedingter Erkrankungen explosionsartig in die Höhe. Am Mittwoch meldete das Land, es seien mehr als 1,7 Millionen Fälle registriert worden, rund 100 000 seien in Behandlung. Es habe über 60 Todesfälle gegeben. Die wahren Zahlen könnten weit darüber liegen.

Mehr als zwei Jahre lang verfolgte Nordkorea seine eigene Null-Covid-Strategie. Das Land hatte seine Grenzen frühzeitig geschlossen, um die Einschleppung zu verhindern. Doch Kims Strategie ging nicht auf. Mit dem Ausbruch ging die Führung in den Krisenmodus über, eine epidemische Notlage wurde ausgerufen. Die Krise stellt jetzt die Führung vor ein besonderes Dilemma. Soll sie Hilfe von außen annehmen, und wenn ja, von wem?

Experten in Südkorea äußerten sich schon über das Eingeständnis des Ausbruchs überrascht. „Das zeigt, dass Nordkorea mit der Situation gründlich umgehen will“, sagt Paik Hak Soon vom Sejong-Institut. Das könne aber auch bedeuten: „Sie sind vielleicht bereit, ausländische Hilfe zu akzeptieren.“ Das hätte auch politische Wirkung. „Die Lieferung von Vakzinen wäre der Start eines Dialogs“, meint Paik. Die Hilfe müsste jedoch ohne Bedingungen erfolgen. Dazu wäre Südkorea bereit.

Dabei ist das Verhältnis schwierig: Nordkorea hatte in diesem Jahr bereits mehrfach trotz Verbotsbeschlüssen des UN-Sicherheitsrats Raketen getestet, die einen Atomsprengkopf tragen können. Hilfe aus Südkorea komme für Nordkorea derzeit nicht in Frage, glaubt Lim Eul Chul vom Institut für Fernost-Studien an der Kyungnam-Universität. „Kim Jong Un sagt, dass sein Land ein militärisch starkes Land ist, seine Würde würde verletzt, wenn er Hilfe (aus Südkorea) annimmt.“ Also China? Medienberichte, wonach Nordkorea dorthin Flugzeuge geschickt hat, um medizinische Versorgungsgüter zu laden, blieben zunächst unbestätigt.

Seit dem Ausbruch werden die Staatsmedien nicht müde, Kim als umsichtigen Krisenmanager zu zeigen, der täglich Sitzungen der Arbeiterpartei abhält, um Anweisungen zu geben und der Schlampereien im Präventionssystem aufdeckt.

Kim ließ aber auch alle Städte und Landkreise abriegeln. Für viele Menschen könnte sich dadurch die Ernährungssituation weiter verschlechtern. Nach Angaben von UN-Organisationen haben über 40 Prozent der Bevölkerung keinen regelmäßigen Zugang zu Nahrung.

Wie viele Fieberpatienten tatsächlich Corona haben, ist weiter unklar. Nordkorea fehlen die Kapazitäten, Massentests durchzuführen. Das medizinische Personal könne jetzt endlich eine richtige Diagnose liefern, weil die Regierung offiziell den Ausbruch eingestanden habe, zitierte das Fachmedium Daily NK einen Informanten in Pjöngjang. Zwar habe es schon früher Menschen mit verdächtigen Symptomen im Land gegeben, aber die Krankheit habe nicht mit Namen genannt werden dürfen.

Jetzt fordere das Gesundheitsministerium die Ärzte auf, „sie als Covid-19 zu bezeichnen“. DIRK GODDER

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