So will die Ampel den Bundestag verkleinern

von Redaktion

Überhang- und Ausgleichsmandate sollen wegfallen – Unionsabgeordnete reagieren empört

München – Der Bundestag ist größer als je zuvor: 736 Abgeordnete sitzen im Parlament – dabei sollten es eigentlich nur 598 sein. Grund dafür sind Überhang- und Ausgleichsmandate. Die Ampel-Koalition will jetzt diese Extra-Plätze streichen. „Die Wähler haben Anspruch auf ein einfaches und überschaubares Wahlsystem“, sagt Sebastian Hartmann (SPD) unserer Zeitung. „Ihnen sollte zum Beispiel klar sein, wie viele Sitze im Bundestag zur Verfügung stehen.“

Schon bei der nächsten Bundestagswahl sollen nicht mehr als die gesetzlich geregelten 598 Abgeordneten in den Bundestag ziehen, lautet Hartmanns Vorschlag. Er hat gemeinsam mit den Abgeordneten Till Steffen (Grüne) und Konstantin Kuhle (FDP) die Neuregelung ausgetüftelt. „Sie würde starke Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit des Parlaments haben“, sagt Hartmann. „Wir haben gerade eine sehr angespannte Büro-Situation.“

Der Bundestag bläht sich von Wahl zu Wahl immer weiter auf – das erschwert vor allem die Arbeit in den Ausschüssen. Auch der Steuerbürger muss dafür seinen Preis zahlen: Laut dem Bund der Steuerzahler ist der Bundestag in dieser Wahlperiode mehr als 400 Millionen Euro teurer als ein Parlament mit der gesetzlichen Normgröße von 598 Sitzen. Parteiübergreifend ist man sich schon lange einig, dass der Bundestag verkleinert werden soll. Auf den neuen Lösungsvorschlag der Ampel reagiert die Union aber empört. Denn traditionell haben vor allem Abgeordnete von CDU und CSU von den Überhangmandaten profitiert.

Insbesondere die CSU ist mathematisch für den übergroßen Bundestag verantwortlich. Wenn eine Partei mehr Direktkandidaten ins Parlament bringt, als ihr nach den Zweitstimmen zusteht, entstehen Überhangmandate. Davon hat die CSU elf. Dazu kommen noch 127 weitere Extra-Sitze, die andere Parteien im Bundestag als sogenannte Ausgleichsmandate bekommen.

Der Vorschlag der Ampel hätte zur Folge, dass nicht mehr jeder Kandidat, der in seinem Wahlkreis nach Erststimmen siegt, sicher in den Bundestag ziehen kann. „Die Ampel agiert erneut erschreckend ideologisch“, klagt Alexander Hoffmann (CSU). Er sitzt wie die Ampel-Abgeordneten Hartmann, Steffen und Kuhle auch in der Wahlrechtskommission. Die drei hätten mit ihrem Vorschlag den Beratungen der Wahlrechtskommission vorgegriffen, sagt er. „Das Vorpreschen der Ampel führt die Wahlrechtskommission ad absurdum.“ Die Ampel habe offenbar „überhaupt kein Interesse an einem parteiübergreifenden echten Ergebnis“.

Unionsfraktionsmanager Thorsten Frei (CDU) meint, der Vorschlag der Ampel-Koalition würde „die besondere Rolle der direkt gewählten Abgeordneten untergraben“. Auch die direkt gewählte Bundestagsabgeordnete Nina Warken (CDU) sagt: „Das Vorgehen der Ampel halte ich für keinen guten Stil.“ Der Vorstoß sei „gerade mit Blick auf die Kappung von Direktmandaten verfassungsrechtlich kritisch“.

Die in München ebenfalls direkt gewählte Grünen-Abgeordnete Jamila Schäfer sagt hingegen, der Vorschlag sei „eine echte Grundlage“, um die Arbeitsfähigkeit des Bundestags zu sichern und die „immer weiter steigenden Kosten“ zu senken.

SPD-Politiker Hartmann versichert, dass die Wähler nach der Reform weiterhin mit einer Erststimme einen Kandidaten wählen können. Falls derjenige aber keinen Platz mehr im Bundestag erlangen kann, können die Wähler mit einer zusätzlichen Ersatzstimme einen anderen Kandidaten ins Parlament schicken. K. BRAUN

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