Kiew – Nach langem verzweifelten Widerstand haben in dieser Woche nach russischen Angaben insgesamt 1730 ukrainische Soldaten aus dem belagerten Asow-Stahlwerk in Mariupol aufgegeben. Allein in 24 Stunden hätten sich 771 Kämpfer der nationalistischen Asow-Brigade ergeben, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Zuvor hatte es geheißen, ursprünglich seien gut 2000 ukrainische Kämpfer in dem Stahlwerk gewesen.
Die Befehlshaber des letzten militärischen Widerstands der Ukraine in Mariupol befinden sich nach eigenen Angaben aber immer noch im Stahlwerk Azovstal. Ukrainische Medien verbreiteten ein Video, im dem der Vize-Kommandeur des Regiments Asow, Swjatoslaw Palamar, zu sehen ist. „Ich und das Kommando sind auf dem Werkgelände von Azovstal. Es läuft eine gewisse Operation, zu deren Details ich nichts sagen werde.“
Im April hatte der Kreml nach wochenlanger Belagerung erklärt, die Kontrolle über Mariupol übernommen zu haben. Allerdings hatten sich ukrainische Soldaten im Tunnelsystem unter dem riesigen Industriekomplex des Asow-Stahlwerks verschanzt, sie wurden dort von russischen Truppen belagert. Das Verteidigungsministerium in Moskau veröffentlichte ein Video, auf dem zu sehen ist, wie ukrainische Soldaten, die sich offenbar ergeben haben, den Industriekomplex verlassen. Manche von ihnen sind sichtlich verletzt, einige gehen auf Krücken. Kiew hofft auf einen Gefangenenaustausch. Russische Behörden haben aber mehrfach betont, dass zumindest ein Teil der Gefangenen nicht als Soldaten sondern als Neonazi-Kämpfer angesehen werde.
Unter den 1730 Gefangenen sollen etwa 80 Verletzte sein. Sie wurden in Krankenhäuser und Gefangenenlager gebracht. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erklärte, an der Registrierung der gefangen genommenen Asow-Stahlwerk-Verteidiger beteiligt zu sein. Auf russische und ukrainische Bitten hin habe ein IKRK-Team vor Ort begonnen, persönliche Daten der Kämpfer abzufragen. Dies dient laut IKRK dazu, nachverfolgen zu können, wo sich die Kriegsgefangenen befinden – und sie dabei zu unterstützen, im Kontakt mit ihren Angehörigen zu bleiben.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich besorgt geäußert, dass der Konflikt in der Ukraine sich auf weitere Länder ausbreiten kann. „Die inakzeptable Aggression der Ukraine durch Russland stellt eine Bedrohung der gesamten Region und insbesondere Moldaus dar“, sagte Macron bei einem Besuch von Moldaus Präsidentin Maia Sandu. Konflikte in Nachbarregionen könnten nicht ausgeschlossen werden.
Nach Angaben des Oberbefehlshabers der Nato-Streitkräfte in Europa sind derzeit mehr als 42 000 Soldaten und 120 Kampfflugzeuge unter seinem Kommando in hoher Alarmbereitschaft. Seit dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine habe man in allen Bereichen und in allen Regionen reagiert, um die Alliierten zu schützen, sagte US-General Tod Wolters.