München – Vor zwei Jahren hatte Manfred Weber von allem genug. Monatelang war er als Spitzenkandidat der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) kreuz und quer durch Europa gehetzt. Er hatte kein überragendes, aber ein ordentliches Wahlergebnis geholt und bereitete sich vor, als Präsident die EU-Kommission zu übernehmen. Bis der mächtige Emmanuel Macron sein Veto einlegte. Nach viel Gemauschel mit Angela Merkel bekam Ursula von der Leyen das Amt. Weber schaltete sein Handy aus und ging in einen laaangen Sommerurlaub. Zurück kam er etwas gealtert, mit Vollbart und Brille.
Dann machte er einfach weiter.
Jetzt nimmt der Niederbayer, inzwischen 49 Jahre alt, das nächste Amt ins Visier. Wie so oft bei ihm ist es keines, das in der bayerischen Heimat für erhöhten Pulsschlag sorgt, aber in die Webersche Europastrategie passt. Dass die EVP, also die Dachorganisation von konservativen Parteien wie CDU und CSU, einen europaweiten Vorsitzenden hat, dürfte selbst den meisten politisch Interessierten unbekannt sein. Bislang hatte der Pole Donald Tusk das Amt inne, doch der ist nun als Oppositionsführer nach Polen zurückgekehrt. Weber, bislang schon Fraktionschef der EVP im EU-Parlament, will die beiden Ämter zusammenführen – und ihnen so mehr Gewicht verleihen.
Aktuell stehen Europas Konservative ziemlich gerupft da. Sieben Ministerpräsidenten stellen sie noch. In Griechenland und Österreich zum Beispiel. Aber in Spanien regieren die Sozialisten. Deutschland ging vergangenes Jahr an die SPD. In Frankreich erlebte die einstige Volkspartei mit der Kandidatin Valérie Pécresse ein Debakel: 4,78 Prozent. „Es soll nach teils enttäuschenden Wahlergebnissen ein Parteitag der Selbstvergewisserung sein, aber auch ein Aufbruch“, sagt Weber vor dem Treffen Ende des Monats in Rotterdam. Ein Gegenkandidat für die Wahl ist diesmal nicht in Sicht. Und Macron hat in der EVP nichts zu melden. Weber: „Ich habe den Anspruch, zu gestalten. Ich will die Partei zusammenführen – und da steckt das Wort führen mit drin.“
Die ganz großen Schlagzeilen wird Weber wohl auch weiter nicht produzieren. Aber es geht um inhaltliche Aufstellung. „Wir dürfen bei all unseren Anstrengungen für den Klimaschutz den Ausgleich mit der Wirtschaft nicht vergessen. Ohne eine stabile Wirtschaft kommen auf Europa ganz andere Probleme zu.“ Gearbeitet wird oft jenseits der Kameras – beispielsweise, wenn sich die konservativen Staatschefs auf die Sitzungen des europäischen Rats vorbereiten. Bisher war Weber da als Fraktionschef dabei. „Aber es macht einen großen Unterschied, ob man als Berichterstatter dabei ist oder ob man die Tagesordnung festlegt und die Sitzungen leitet.“
Seit fast 30 Jahren macht der CSU-Politiker so Politik. Weit weg von Bayern. Europa als Projekt. Die CSU brauchte etwas, bis sie verstand, was er da tut. Inzwischen bekommt er als Stellvertreter auf Parteitagen immer das beste Ergebnis. 94 Prozent waren es im vergangenen September. Parteichef Markus Söder bekam 87,6.
Webers Name fällt auch immer, wenn intern diskutiert wird, wer den zuletzt auch parteiintern nicht mehr unantastbaren Söder einmal beerben könnte. Ilse Aigner und Weber heißt es dann. Vielleicht auch in Ämterteilung. Weber selbst würde sich an solchen Debatten natürlich nie beteiligen. Aber die Zeiten mangelnden Selbstbewusstseins sind lange vorbei. Heute sagt er: „Ich glaube, die CSU profitiert davon, wenn sie jetzt zwei Parteivorsitzende hat – einen in Bayern und einen in Europa.“
Aktuell steht die EVP gerupft da