Berlin/München – Am Freitagmorgen sieht man die Bundesministerin der Verteidigung mit einem Jutebeutel im Bundestag. Christine Lambrecht zieht in aller Ruhe Akten aus dem olivgrünen Sack, so dass es jeder sehen kann. Aufschrift: „Wir kämpfen auch dafür, dass Du gegen uns sein kannst.“
Das ist ein Werbespruch der Bundeswehr, mit dem die Truppe klarmachen will, dass sie für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einsteht, im Notfall für unsere Werte kämpft. Es ist in dieser Szene aber auch eine Botschaft der SPD-Politikerin an ihre Kritiker: Dann seid halt gegen mich – ich kämpfe trotzdem. Auch ums Amt.
Die 56-Jährige aus Mannheim ist in die Defensive geraten, schwerer als jeder andere Ampel-Minister. Fachfremd und desinteressiert sei sie, schäumen Kritiker. Sie führen mehrere unglückliche Interviews der Ministerin an, in denen sie direkt oder indirekt kundtat, Dienstgrade nicht zu lernen. Mancher stößt sich am Stöckelschuhwerk der Ministerin beim Truppenbesuch in Mali – die Kritik kann man wahlweise chauvinistisch oder den Vorgang für symptomatisch halten. Der enorme Wirbel um Mitreisen des 21-jährigen Sohns in Bundeswehrmaschinen ergänzt das Bild.
Was schwerer wiegt, sind politische Vorwürfe: Lambrecht habe bei den Waffenlieferungen an die Ukraine von Anfang an (die Sache mit den Helmen) bis heute unglücklich agiert. Inzwischen werde viel versprochen, doch „die Wahrheit ist, dass seit Wochen so gut wie nichts geliefert wird“, sagte Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) diese Woche im Bundestag. Klarer denn je forderte er den Kanzler auf, Lambrecht zu feuern. „Sie werden es sowieso irgendwann in den nächsten Wochen und Monaten machen müssen. Also machen Sie es bald.“
Auch mit der CSU hat es sich die Ministerin komplett verscherzt. Im März beerdigte sie den bayerischen Standort für das Transportflugzeug A400M – für das Lechfeld eine Entscheidung, die 170 Millionen Euro Investitionen kostet. Aus der CSU kommen seither nur kritische Töne. Auch demoskopisch schlägt sich das nieder. Im ZDF-Politbarometer ist Lambrecht abgesackt, weit hinter Markus Söder und Sahra Wagenknecht, während die grüne Außenministerin Annalena Baerbock ein Popularitätshoch erlebt.
Lambrecht verteidigt sich. Sie habe „in sehr kurzer Zeit sehr viel umgesetzt“, sagt sie in einem Interview bei „t-online“ und verweist etwa auf die Beschaffung von Drohnen. Sie wolle im Amt bleiben und dafür sorgen, „dass die Bundeswehr endlich richtig ausgestattet ist“. Allerdings brennt es auch im eigenen Ressort schon lichterloh. Sie kritisiert Indiskretionen, Spötteleien wie jene, sie mache gern um 15 Uhr Feierabend. Es gebe eine „Unkultur“ im Haus, „mit Gerüchten, Klatsch und Flurfunk die Medien zu füttern“. Dies sei „eine ungute Entwicklung, gerade für ein Ministerium, das für Sicherheitspolitik zuständig ist“.
Ärger mit der Opposition, Zoff im Haus – was nun? In der SPD kursiert seit Längerem die Idee, Lambrecht zumindest zu versetzen – ins Innenressort. Die dortige Ministerin Nancy Faeser soll im Herbst 2023 die Spitzenkandidatin der SPD zur Landtagswahl in Hessen werden. Das ist zwar noch nie offiziell gesagt worden, gilt aber in Hessen als ausgemacht. Lambrecht macht in der Sache schon mal Druck. Im Interview sagt sie, natürlich wolle sie ihre Aufgabe im Verteidigungsressort erfüllen. Aber, explizit auf einen Wechsel angesprochen: „Ich setze darauf, dass Nancy Faeser nicht nur Spitzenkandidatin wird, sondern auch die erste Ministerpräsidentin in Hessen.“
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER