München – Am Dienstag ist es drei Monate her, dass Russland seine Angriffe auf die Ukraine gestartet hat. Der größte Teil der westlichen Welt hat seitdem nicht lange gebraucht, um sein Verhältnis zu Moskau neu zu justieren. Lediglich bei Gerhard Schröder, bekanntermaßen enger Freund Wladimir Putins, dauerte es bis Freitag, ehe er einen ersten Schritt weit auf Distanz ging.
Die Nachricht, der Altkanzler lege seinen Aufsichtsratsposten beim russischen Energiekonzern Rosneft nieder, erfolgte nur einen Tag nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages die Mittel für Schröders Büro zusammengestrichen und das EU-Parlament sich für Sanktionen ausgesprochen hatte. Da liegt ein Zusammenhang nahe. Dass Schröders Entschluss nicht so sehr mit Einsicht zu tun hat, sondern vor allem eine Reaktion auf den jäh gestiegenen politischen Druck darstellt, ist kaum zu übersehen. Selbst Parteifreunde reagieren deshalb schmallippig. Die Entscheidung sei „wohl nicht ganz zufällig gefallen“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert der „Rheinischen Post“. Der Schritt komme „leider viel zu spät“.
Den Rückhalt der Genossen hat Schröder schon lange verloren. Seine Treue zu Putin hat ihm den Entzug etlicher Ehrentitel sowie ein Parteiausschlussverfahren eingebracht. Der Entschluss, sein Mandat als Chef des Rosneft-Aufsichtsrates nicht zu verlängern, wird nicht nur als überfällige Selbstverständlichkeit angesehen, sondern mit Blick auf die Ämterfülle auch als unzureichend.
„Wir nehmen zur Kenntnis, dass es jetzt bei einem passiert, und die anderen müssen auch noch folgen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Wochenende in Hildesheim am Rande der SPD-Landesdelegiertenkonferenz. Schröder stehe mit seiner Haltung allein für sich. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil monierte den späten Zeitpunkt der Entscheidung, immerhin herrsche bereits seit Monaten Krieg in der Ukraine.
Ob dem ersten zarten Einlenken aber wirklich weitere Schritte folgen werden, ist völlig offen. Dagegen spricht, dass Schröder selbst sich weiterhin bedeckt hält und keine Anstalten macht, seine Entscheidung oder sogar seine gesamte Haltung zu Russland zu erklären. Damit bleibt er sich treu. Sein einziges Interview der vergangenen Monate hatte er keinem deutschen Medium gegeben, sondern der „New York Times“. Von Einsicht, gar Selbstkritik war dort nichts zu spüren.
In jenem Interview hatte Schröder offen gelassen, ob er die Nominierung für den Aufsichtsrat des Gazprom-Konzerns annimmt, über die Ende Juni entschieden wird. Einen Verzicht auf bisherige Posten – er ist auch noch bei den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 involviert – hatte er nur für den Fall in Erwägung gezogen, dass Russland die Lieferungen in den Westen stoppe. Realistisch erschien ihm dieses Szenario nicht: „Das wird nicht passieren.“ Inzwischen aber ist es – zumindest teilweise – doch passiert. Polen, Bulgarien und seit letzter Woche Finnland erhalten kein russisches Erdgas mehr, offiziell mit der Begründung, die Länder verweigerten die Zahlung in Rubel.
Es bleibt einsam um Schröder. Lediglich aus der FDP bekommt er noch ein bisschen Zuspruch. Bundesvize Wolfgang Kubicki sagte den Funke-Zeitungen, nach dem Rosneft-Aus bedürfe es „keiner weiteren Maßnahme“, weder des Ex-Kanzlers noch des Bundestages. „Die Grenze zur Demütigung“, sagte Kubicki, „sollte nicht überschritten werden.“ MARC BEYER