SEBASTIAN HORSCH
Es sind schockierende Bilder, die die Misshandlung hunderttausender Menschen in chinesischen Umerziehungslagern dokumentieren sollen. Aber mal ehrlich: Kommen sie wirklich überraschend?
Für manche wohl schon. Ähnlich dem Russland-Bild vieler Deutscher hat sich auch beim Blick nach Fernost vielfach eine gewisse Verklärung eingeschlichen. Dass Staatspräsident Xi noch im Oktober die „alte Freundin Chinas“ Angela Merkel mit blumigen Worten in den Ruhestand verabschiedete, zeugt davon, wie eng die wirtschaftlichen Beziehungen unter der Kanzlerin geworden sind. Doch die „grenzenlose Freundschaft“, die sich auch die Führer in Peking und Moskau geschworen haben, fußt nun einmal nicht zuletzt auf einem ähnlichen Grundverständnis davon, was Menschenrechte sind – eine nützliche Fassade, die man EU-Ländern vorgaukeln muss, um die Geschäftsbeziehungen nicht zu stören. Die wiederum kritisieren und sanktionieren hier und da, wollen aber eigentlich auch nicht zu genau wissen, was in chinesischen „Fortbildungseinrichtungen“ so alles läuft. Dabei zeigt schon die Art, wie Peking seine „Corona-Maßnahmen“ durchsetzt, mit wem man es zu tun hat.
Und jetzt? Klar ist: Ohne China scheint es vorerst nicht zu gehen. Doch auch wenn sie nicht auf den Handel mit der Volksrepublik verzichten können, sollten Europa und Deutschland sich gut überlegen, wie viel wirtschaftliche Abhängigkeit von Peking wir uns erlauben können. Sonst könnte uns bald der nächste Ukraine-Moment drohen, wenn China militärisch nach Taiwan greifen sollte.
Sebastian.Horsch@ovb.net