Frankfurt – Es ist Volker Bouffiers letzter großer Verdienst. Mit seinem Abschied eröffnet Hessens Ministerpräsident dem 20 Jahre jüngeren bisherigen Landtagspräsidenten Boris Rhein die Möglichkeit, mit einem „Amtsbonus“ in die Hessen-Wahl im Herbst 2023 zu gehen. Obwohl es mehrere Interessenten für Bouffiers Nachfolge gab, ist es der hessischen CDU gelungen, den Machtkampf hinter verschlossenen Türen auszutragen – im Gegensatz zur Bundes-CDU, die nach internen Grabenkämpfen die Bundestagswahl verloren hatte.
Daran allerdings war Bouffier nach Einschätzung von Beobachtern nicht unbeteiligt. War er es doch, der sich zusammen mit Wolfgang Schäuble für den glücklosen Kandidaten Armin Laschet stark gemacht hatte. Eine folgenschwere Entscheidung, durch die Bouffier in den eigenen Reihen unter Druck geraten war, selbst über einen rechtzeitigen Rückzug vor der Landtagswahl nachzudenken.
Kommende Woche ist es nun so weit. Am Montagabend wird Bouffier in einer feierlichen Zeremonie in Wiesbaden offiziell verabschiedet. Am Dienstag stellt sich Boris Rhein im Landtag zur Wahl. Ein Moment, der durchaus nicht ohne Anspannung verlaufen wird. Verfügt die schwarz-grüne Koalition doch nur über eine Ein-Stimmen-Mehrheit im Parlament.
Bouffier verschwindet allerdings noch nicht ganz von der Wiesbadener Bühne. Er bezieht als Ministerpräsident a.D. ein Büro in unmittelbarer Nachbarschaft zur Staatskanzlei, was für Kritik aus seiner Partei gesorgt hat. Dennoch geht mit seinem Rücktritt eine Ära zu Ende. Schon als Hessischer Innenminister unter dem früheren Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) hatte sich Bouffier von 1999 an einen Namen gemacht. Der konservative Hardliner Bouffier wurde wiederholt als „Schwarzer Sheriff“ tituliert. Ein Image, das Kochs „Kronprinz“ aber schnell ablegte, nachdem er im Jahr 2010 selbst Ministerpräsident wurde.
Damals gelang es ihm, nach der Landtagswahl 2013 das erste schwarz-grüne Bündnis in einem Flächenland zu schmieden. Damit führte Bouffier die zuvor kaum für möglich gehaltene Versöhnung mit den Grünen herbei, die einst als Erzfeinde des konservativen hessischen CDU-Kampfverbands im Landtag galten. Eine Leistung, die den Christdemokraten neue Machtoptionen eröffnet und ihnen bis heute ein moderneres Antlitz verliehen hat. Inzwischen ist Bouffier der dienstälteste amtierende Ministerpräsident Deutschlands. Und er erfährt neben seinen Landes- und bundespolitischen Verdiensten parteiübergreifend Anerkennung für seinen Beitrag zur Überwindung des klassischen politischen Lagerdenkens. Selbst der thüringische Ministerpräsident von der Linkspartei, Bodo Ramelow, fand kürzlich bei Bouffiers Abschied im Bundesrat lobende Worte für den CDU-Mann aus Gießen. Und bei den hessischen Grünen genießt Bouffier freundschaftlichen Respekt für seine langjährige harmonisch-geräuschlose Führung der schwarz-grünen Koalition im Wiesbadener Landtag.
Gegen wen Rhein – verheiratet und Vater von zwei Söhnen – 2023 antritt, ist derweil noch offen. Immer wieder wird für die SPD-Seite die Bundesinnenministerin und hessische Parteichefin Nancy Faeser genannt, zuletzt gar von ihrer für Verteidigung zuständigen Kabinetts- und Parteikollegin Christine Lambrecht. Faeser jedoch unterstreicht, sie habe nicht vor, ihr Amt im Bund aufzugeben.
In einer Umfrage lagen CDU und SPD in Hessen zuletzt gleichauf bei 24 Prozent. Auch die Grünen gewinnen hinzu und halten sich die Option offen, ebenfalls mit einem eigenen Spitzenkandidaten anzutreten. Als aussichtsreichster Kandidat gilt dabei Vizeministerpräsident und Landeswirtschaftsminister Tarek Al-Wazir.