München – Muss in jedem staatlichen Gebäude in Bayern ein Kreuz hängen – oder muss die Vorschrift aufgehoben werden? Und müssen existierende Kreuze nun abgehängt werden? Über diese Fragen müssen in Kürze die höchsten bayerischen Verwaltungsrichter entscheiden.
Was einfach klingt, ist eine rechtlich äußerst komplexe Materie – das wird in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am Mittwoch schnell deutlich. Wie das Verfahren ausgeht, ist nicht abzusehen. Gerichtspräsidentin Andrea Breit kündigt eine Entscheidung für Juni an – diese werde den Beteiligten binnen zwei Wochen zugestellt. Nur eines ist schon jetzt hochwahrscheinlich: Dass der Streit erst vom Bundesverwaltungsgericht abschließend entschieden wird.
Der sogenannte Kreuzerlass, den Ministerpräsident Markus Söder kurz nach seinem Amtsantritt 2018 per Kabinettsbeschluss durchsetzte, klang noch ganz einfach. Seither heißt es in Paragraf 28 der Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern: „Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen.“
Kurz danach reichte der religionskritische Bund für Geistesfreiheit Klage gegen den Erlass ein, ebenso wie 25 Unternehmer, Politiker und Kulturschaffende. Das Verwaltungsgericht München leitete die Klage in der Frage der Rechtmäßigkeit des Erlasses eine Instanz höher.
Also muss sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nun mit einer Vielzahl von Fragen befassen. Sind die Klagen zulässig? Wer wird gegebenenfalls in seinen Rechten verletzt, und wie schwerwiegend ist dann dieser Eingriff? Was ist eigentlich mit dem Neutralitätsgebot des Staates? Handelt es sich beim Kreuzerlass um eine Norm, die – weil sie allein an die Behördenleiter gerichtet ist – keine Außenwirkung entfaltet? Oder eben doch, auch wegen der publikumswirksamen Vermarktung Söders mit spektakulärem Fototermin?
Im Kern geht es in der mündlichen Verhandlung unter anderem um die Bedeutung und Deutung des Kreuzes. Der Anwalt der Kläger, Hubert Heinhold, argumentiert, die Koppelung eines Symboles mit der Staatsgewalt bedeute eine Bevorzugung der christlichen Kirchen, schon die Vorschrift allein bedeute für die Kläger eine „substanzielle Benachteiligung per se“. Das Kreuz sei quasi eine „Werbemaßnahme“ fürs Christentum.
Landesanwalt Marcus Niese entgegnet wiederholt: „Der Freistaat Bayern bringt das Kreuz nicht in seiner Eigenschaft als religiöses Symbol an.“ Sondern als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns – so stehe es auch in der entsprechenden Vorschrift. Woraufhin der Kläger-Anwalt kontert, es komme allein darauf an, wie das Kreuz von den Bürgern verstanden werde.
Ein weiterer Punkt: Wie sehr werden die Kläger durch die aufgehängten Kreuze in ihren Rechten tangiert? Könnten sie beispielsweise nicht einfach schnell an den Kreuzen vorbeigehen? An dem Punkt wird an eine Bundesverfassungsgerichts-Entscheidung von 1995 erinnert, das sogenannte Kruzifix-Urteil. Damals entschied Karlsruhe, dass das Anbringen eines Kreuzes in Klassenzimmern gegen das Grundgesetz verstößt. Seither können sich Eltern und Schüler in Bayern gegen Kreuze wehren.
Aber ist es vergleichbar, wenn man einige Unterrichtsstunden unter einem Kreuz sitzen muss – oder ob man daran nur „flüchtig“ vorbeigeht? Auch mit dieser Frage wird sich der Verwaltungsgerichtshof wohl auseinandersetzen.C. TROST/B. SCHULTEJANS