„Schulden sind der falsche Weg“

von Redaktion

Noch sind die Steuerschätzungen positiv. Doch Finanzpolitiker blicken mit Sorge auf die wirtschaftliche Entwicklung – während die Ausgaben deutlich steigen. Ein Gespräch mit Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU), worauf sich der Freistaat nun einstellen muss.

Herr Füracker, morgen treten Neun-Euro-Ticket und Tankbonus in Kraft. Die Bürger freut’s. Ist ein Haushaltspolitiker damit glücklich?

Glücklich? Das ist das falsche Wort. Dass es bei drastisch steigenden Energiepreisen und galoppierender Inflation Entlastung geben muss, ist völlig klar. Unglücklich – und da stimmt der Ausdruck –- bin ich mit der Art und Weise, weil man nicht zielgerichtet allen hilft. Außerdem wurde ein Bürokratiemonster geschaffen.

Warum?

Nehmen Sie das Energiegeld: Da müssen elf Paragrafen im Einkommensteuergesetz neu eingefügt werden. Elf! Bürokratie pur. Wir bekommen im Vollzug einen erheblichen Aufwand. Das kostet Geld, das man für zusätzliche Entlastung verwenden könnte. Ich hätte einfach die Steuern gesenkt.

Die SPD fordert nun das Energiegeld auch für Rentner und die Einführung eines Klimageldes. Konkret gefragt: Kann der Staat auf Dauer alle Härten auffangen?

Es ist sehr verwunderlich, dass ausgerechnet viele aus der Kanzlerpartei Ergänzungen fordern – obwohl das erste Paket noch gar nicht in Kraft ist. Offenbar sind sie nicht glücklich mit dem, was sie beschlossen haben. Kein Wunder: Rentner und Studenten wurden vergessen. Aber Vorsicht: Schon die ersten Maßnahmen sind sehr, sehr teuer.

Die Bundesregierung fängt’s mit Schulden auf.

Der Bund spricht mit drei Stimmen: Die ersten versprechen alles, die zweiten noch Zusätzliches – und die dritten erinnern an die Schuldenbremse. Da kann ich als Finanzminister nur warnen: Wenn die Schuldenbremse 2023 wieder eingehalten werden soll, muss man seine Entscheidungen danach ausrichten.

In der Ampel könnte es krachen: Die FDP bremst inzwischen heftig.

Es kracht ja schon. Auch mit den Ländern. Wir Bayern müssen diese Beschlüsse ja mitbezahlen. Das Paket kostet den Freistaat über eine Milliarde Euro – obwohl wir nicht einmal gefragt wurden.

Blicken wir mal auf den Freistaat: Was heißt die Inflation für bayerische Großprojekte – zum Beispiel die Stammstrecke der Münchner S-Bahn?

Zur Stammstrecke liegen mir noch keine konkreten Zahlen vor. Aber klar: Hier sind Gespräche nötig, vermutlich nicht nur wegen der Inflation. Wenn das Projekt teurer wird, muss auch der Bund mehr bezahlen.

Der Münchner Konzertsaal ist schon auf St.-Nimmerleins-Tag verschoben. In der Fraktion werden weitere Großprojekte infrage gestellt. Zu Recht?

Wir befinden uns in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf alle Projekte. Ein Vorhaben in diesen Zeiten auch mal um zwei, drei Jahre zu verschieben, ist nichts Unanständiges. Das ist verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern.

Haben Sie das auch Ihrem Ministerpräsidenten gesagt: Der war im letzten Wahlkampf eher großzügig unterwegs. 2023 dürfte das nicht mehr funktionieren.

Ich muss ihm da nichts sagen. Entscheidend ist, was im Koalitionsvertrag steht.

Nun ja, beim letzten Mal haben CSU und Freie Wähler im Wahlkampf Versprechungen gemacht – und im Koalitionsvertrag wurde das alles addiert.

Ich kenne aktuell keine Versprechungen. Ich bin ohnehin jemand, der mit Versprechungen zurückhaltend ist.

Blicken wir über den Tellerrand: Die EZB hat die Zinsen immer so niedrig gehalten, um die angeschlagenen Länder Südeuropas zu stützen. Sie haben das immer kritisiert.

Ja, weil wir uns dadurch der Möglichkeit beraubt haben, geldpolitisch auf Krisen wie die Pandemie zu reagieren. In Nicht-Krisenzeiten hätten wir Normalität herstellen müssen. Das hat die EZB versäumt.

Jetzt gehen die Zinsen hoch, Inflation und Energieproblematik kommen hinzu. Fürchten Sie eine neue Eurokrise?

So weit darf es nicht kommen. Es geht nicht darum, dass die Zinsen jetzt astronomisch steigen sollen, auf drei oder vier Prozent.

Heißt umgekehrt: Die Zinspolitik fängt eine Inflation von acht Prozent nicht auf.

Nein. Dafür wurde zu spät reagiert. Der Staat muss deshalb leider direkt entlasten. Aber für Deutschland wie für Südeuropa gilt: Schulden sind auf Dauer der falsche Weg.

Interview: Mike Schier

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