München/Weilheim – Eines möchte Norbert Moy gleich am Anfang klarstellen. Das Zugunglück bei Burgrain, so sagt der Bezirksvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn für das Oberland, habe offensichtlich ja nichts mit dem immer wieder angemahnten Ausbau der Strecke zu tun. „Da ist man dann auch ein bisschen ratlos, wenn man die ersten Bilder betrachtet“, sagt Moy. Er wohnt in Weilheim und benutzt die Werdenfelsbahn als Pendler zu seiner Münchner Arbeitsstätte täglich. Auch der jetzt verunglückte Doppelstockzug ist ihm wohlbekannt. „Ich habe ihn erst heute früh am Weilheimer Bahnhof gesehen“, sagt er am Freitagnachmittag am Telefon.
Die Deutsche Bahn setzt auf der Werdenfelser Strecke eigentlich Triebzüge der Baureihe 442 „Talent“ aus den 2000er-Jahren ein. Doch als 2018 der Flughafenexpress „ÜFEX“ von Regensburg zum Airport starten sollte, gingen der Bahn die Züge aus – die Werdenfelsbahn musste einige Triebzüge abtreten. Als Ersatz erhielt sie in einer Art Ringtausch eine Doppelstock-Garnitur – der jetzt verunglückte Zug. Der Vorteil: In einen Doppelstock-Waggon passen viele Leute, etwa 130 Fahrgäste. Der Nachteil: Der Zug ist älter als die Triebzüge von Bombardier.
Norbert Moy will sich darüber kein Urteil anmaßen. Seit Jahren beschäftigt er sich mit der Werdenfelsbahn, deren erstes Stück bis Starnberg schon 1854 eingeweiht wurde (der letzte Abschnitt Murnau-Partenkirchen dann 1889). Dass die Bahn im Loisachtal langsam unterwegs ist, ist kein Geheimnis. Für die gerade einmal hundert Kilometer lange Strecke München-Hauptbahnhof bis Garmisch-Partenkirchen benötigt der Zug 80 Minuten. Vielen Garmischern ist da das Auto lieber. Moy wurmt es, dass erst vergangene Woche für 260 Millionen Euro ein drei Kilometer langer Tunnel bei Oberau eröffnet wurde – während bei der Werdenfelsbahn keine Verbesserungen in Sicht sind und der Ausbau auf der Strecke bleibt.
Seit Jahren pocht Pro Bahn auf eine abschnittsweise zweigleisige Ergänzung. „Zumindest das Teilstück zwischen Weilheim und Huglfing benötigt ein zweites Gleis“, sagt Moy. „Das verlangt der Deutschlandtakt, weil sich die Züge künftig hier begegnen werden.“ Das gab es schon mal, es wurde aber 1942/43 abgebaut. Konkrete neue Planungen gibt es nicht. Durch das Murnauer Moos – zwischen Murnau und Ohlstadt – nehmen auch Naturschützer Abstand von einem zweigleisigen Ausbau. Noch völlig unklar ist, ob auch nördlich von Garmisch-Partenkirchen, dort, wo das Unglück geschah, ein zweites Gleis sinnvoll wäre.
Doch das liegt ohnehin in ferner Zukunft. Viele Werdenfelser wären wahrscheinlich schon froh, wenn es mittelfristig kleinere Verbesserungen geben würde. Doch auch da gibt es eine Enttäuschung: Ursprünglich wollte die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die im Auftrag des Freistaats den Zugverkehr bestellt, Ende 2025 mit einem verbesserten Betriebskonzept für die Werdenfelsbahn starten. Unter anderem war geplant, den Bahnhof Kainzenbad regulär zu öffnen – wichtig für Wanderer zur Partnachklamm – und zwischen Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck einen Ein-Stunden-Takt zu ermöglichen. Im Moment fährt laut Moy nur alle vier Stunden ein Zug in die Tiroler Landeshauptstadt.
Doch siehe da: Die Eisenbahngesellschaft hat ihre Pläne klammheimlich verschoben. Nicht einmal die lokalen Politiker wurden darüber informiert. Die Schuld schiebt sie auf den Verkehrsverbund Tirol – der aus dem Projekt ausgestiegen sei. Bis Ende 2026 sind jetzt keine Verbesserungen in Sicht.