„Waffen können Kriege beenden“

von Redaktion

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Kürzel MASZ, ist in der FDP ein Senkrechtstarter im zarten Alter von 64 Jahren. Die Düsseldorferin steht im Fokus, weil sie als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag offensiv die zögerliche Praxis ihrer Koalition bei Waffenlieferungen kritisiert. Und weil sie deutlicher als fast alle anderen Politiker Klartext spricht. Strack-Zimmermann, die in München studierte und promovierte, ist auch Mitglied des FDP-Bundesvorstands.

Sind Sie die IPO, die innerparteiliche Opposition in der Ampel?

Das höre ich ab und an. Wenn ich in der Opposition wäre, da würde ich allerdings ganz andere Register ziehen.

Der Kanzler beteuert immer wieder, wie viel Deutschland der Ukraine helfe – gleichzeitig hören wir aus dem Ausland Kritik an der deutschen Zögerlichkeit. Wer hat Recht?

Das ist eine Frage der Perspektive: Deutschland hat bisher eine Menge geliefert. Aber im Verhältnis unseres wirtschaftlichen Potenzials zu dem anderer Länder, und was die in den letzten Wochen an die Ukraine geliefert haben – hätten wir deutlich mehr machen können.

Warum haben wir nicht?

Weil es in den Ministerien mit Sicherheit Leute gibt, die gehofft haben, dass Deutschland sich da nicht so exponiert. Wir erleben in Teilen eine traumatisierte SPD, die ungläubig feststellt, dass Putin wirklich diesen Krieg führt und die, ich sage mal, liebevolle Freundschaft zu Russland nun plötzlich in Trümmern liegt. Viele davon sind pazifistisch sozialisiert. Manchmal glaube ich, dass auch der Kanzler keinen Bezug zur Armee hat. Er hat zweifellos starke Auftritte im Parlament gehabt, wie die Zeitenwende-Rede am 27. Februar etwa – aber danach wurde es dann doch wieder äußerst still. Das reicht eben nicht: Der Zeitdruck ist zu groß.

Was hätte die Regierung ab Tag 1 des Krieges anders machen müssen?

Wir sind jetzt bei Tag 105 – und wissen rückblickend: Diese unsägliche Diskussion, was Defensiv- und was Offensivwaffen für die Ukraine sind, hätten wir uns sparen können. Das ist realitätsfern für ein Land im Krieg: Man steht entweder vor oder hinter dem Rohr. Eindeutig ja: Die Regierung hätte viel schneller handeln müssen auch bei der Lieferung von schweren Waffen.

Was hätte das gebracht?

Der Krieg wird mit Sicherheit nicht vor 2023 enden. Wir müssen uns also heute schon fragen: Wollen wir Ende des Jahres immer noch darüber diskutieren, mit welchen – und ob überhaupt – schweren Waffen wir die Ukraine unterstützen werden? Putin will die Ukraine vernichten, das Land aus der Landkarte streichen. Wenn wir zu lange Hilfe hinauszögern, ist es irgendwann zu spät. Zum Beispiel der Schützenpanzer Marder, von dem wir 350 Stück haben: Einige davon könnten wir sofort liefern. Die Ukraine braucht diese Panzer jetzt dringend.

Scholz hat von einem russischen Atomschlag gesprochen. Ist er ein kluger Mahner oder nährt er nur die „German Angst“?

Uns Deutsche begleitet immer ein Stück „German Angst“. Dass Russland viele und schwere Atomwaffen hat, gehört zur Realität. Putins Narrativ von der Atombombe hat aber vor allem einen Zweck: uns zu verunsichern. Wir beobachten die Lage – sollten aber Putins Geschichten nicht selbst an die Wand pinseln.

Deutschland verabschiedet sich abrupt vom Pazifismus. Verstehen Sie auch die Ängste der Gegner von Waffenlieferungen?

Ich verstehe, dass die Menschen Angst haben. Ein Krieg ist beängstigend. Aber ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass man ernsthaft glauben kann, man könnte einen solchen Angriff ohne Waffen beantworten. Nicht wenn man Russlands Vorgehen seit Jahren kennt, und nicht, wenn man auch nur den Hauch einer Ahnung von Geschichte hat. Wir sollten registriert haben: Der Einsatz von Waffen kann Kriege beenden. Der Zweite Weltkrieg wurde schlussendlich beendet, weil die Amerikaner militärisch eingegriffen haben – nichts hätte Hitler ansonsten gestoppt. Natürlich kann man Probleme diplomatisch lösen, aber Putin will die Ukraine vernichten – wie bitte soll es da einen Mittelweg geben?

Macron sagt, man müsse eine Lösung finden, die Putin nicht demütigt. Was meint er damit – dass die Ukraine einen Teil abtritt?

Wie soll das gehen? Nachdem Putin die Ukraine überfallen hat, wird er dafür mit einem Stück des ukrainischen Territoriums belohnt? Das ist so, als würde ein Nachbar in Ihre Wohnung einbrechen, Ihre Frau vergewaltigen, Ihr Kind verschleppen. Und Sie als Opfer sollen dem Einbrecher zum Dank Ihr Wohnzimmer überlassen? Dieser Ungerechtigkeit müssen wir entgegnenwirken und auch nicht, ermüdet von den schrecklichen Bildern, diesen Krieg verdrängen.

Frau Abgeordnete – können Sie einen Oberleutnant vom Oberstleutnant unterscheiden?

(lacht) Ich war während verschiedener Übungen Oberleutnant und Oberleutnant zur See. Soll ich Ihnen das Kränzchen auf der Schulterklappe erklären?

Warum kann das die Verteidigungsministerin offenkundig nicht?

Sie kann es.

Lambrecht kokettierte damit, es nicht zu lernen. Inzwischen sagen viele, Sie wären die bessere Verteidigungsministerin gewesen – Interesse am Posten?

Es ist ja sehr freundlich, wenn manche der Meinung sind. Ich würde vermutlich manches anders machen – ob das Ergebnis am Ende aber besser wäre, weiß ich nicht. Dieses Ministerium ist keines, wo Bewerber Schlange stehen, viele Strukturen dort bräuchten ein komplettes Reset. Die Ministerin wird sich am Ende der Legislaturperiode, daran messen lassen müssen, wie sie mit dieser Kriegssituation umgegangen ist, und wie die 100 Milliarden Euro Sondervermögen wirklich der Bundeswehr zugutegekommen sind. Jetzt ist eine Bewertung darüber definitiv noch zu früh.

Zusammengefasst: Kathrin Braun

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