München – Dass Nancy Faeser eine andere Innenministerin sein will als ihr Vorgänger Horst Seehofer (CSU), hat sie früh klargemacht. Die hessische Sozialdemokratin hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, dass sie beim Thema Migration „nicht mehr nur“ an Sicherheitsaspekte denken wolle. Passend dazu stößt Faeser nun eine Reform des Aufenthaltsrechts an, die im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP bereits angekündigt wurde.
Noch vor der Sommerpause soll das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht den Weg ins Kabinett schaffen. Der Kern: Wer seit mindestens fünf Jahren nur mit einer Duldung in Deutschland lebt, soll bald die Möglichkeit haben, dauerhaft und legal zu bleiben.
Zum Hintergrund: Wer geduldet ist, ist eigentlich zur Ausreise aus Deutschland verpflichtet, kann aber derzeit nicht abgeschoben werden – zum Beispiel weil er krank ist, oder sich einfach nicht klären lässt, welche Staatszugehörigkeit er hat. Letzteres kann daran liegen, dass kein Pass vorliegt und der Herkunftsstaat die Klärung hinauszögert – aber auch daran, dass der Betroffene selbst nicht dazu beiträgt. Wird eine Duldung immer wieder verlängert, spricht man von einer Kettenduldung. Der Betroffene bleibt dann über Jahre im Land, hat aber keinen legalen Aufenthaltstitel. Derzeit sind rund 240 000 Menschen in Deutschland geduldet – gut 100 000 davon leben seit mehr als fünf Jahren hier.
Ihnen will die Ampel entgegenkommen. „Diejenigen, die in Deutschland seit fünf Jahren oder mehr leben und gut integriert sind, aber nur über eine Duldung verfügen – denen wollen wir eine Chance geben, hier auch einen gefestigten Aufenthaltstitel zu erlangen“, sagt Faeser. Profitieren soll nur, wer „sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und zur Rechts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt“ und nicht wegen einer erheblichen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde. Auch wer seine Abschiebung durch falsche Angaben verhindert hat, soll durchs Raster fallen. Die Sicherung des Lebensunterhaltes muss hingegen zunächst nicht nachgewiesen werden. Der Entwurf enthält zudem Erleichterungen beim Familiennachzug für Ausländer, die als Fachkräfte nach Deutschland kommen und eine Verlängerung der Abschiebehaft für bestimmte Straftäter von drei Monaten auf maximal sechs Monate.
Aus Bayern kommt scharfe Kritik. „Ich halte diesen Gesetzentwurf für gefährlich, weil er einen massiven Anreiz für weitere illegale Migration nach Deutschland schafft“, sagt Innenminister Joachim Herrmann (CSU) unserer Zeitung. Deutschland sei schon jetzt das Hauptziel irregulärer Zuwanderung. „Wollen wir diese ,Spitzenposition‘ tatsächlich weiter ausbauen?“ Die Ampel-Pläne führten das bestehende Asylsystem ad absurdum. „Ausländern, denen es gelingt, den Behörden jahrelang auf der Nase herumzutanzen, die Rechtsordnung zu missachten und die Mitwirkung etwa bei der Identitätsklärung zu verweigern, würden auch noch belohnt“, sagt Herrmann. Die Vorstellung, mit dem neuen Gesetz den Bedarf der Wirtschaft an Fachkräften decken zu wollen, sei naiv. Vielmehr sei eine erhebliche Belastung der Sozialsysteme vorgezeichnet. SEBASTIAN HORSCH