Fünf Länder in zwei Tagen: Dass Kanzler Olaf Scholz dem Balkan gerade jetzt so viel Aufmerksamkeit schenkt, dürfte kein Zufall sein. Die geostrategische Bedeutung der Region ist Europa durch den Ukraine-Krieg noch stärker bewusst geworden.
Bisher fühlten sich einige Balkanländer eher stiefmütterlich behandelt. Seit 2014 verhandelt Serbien mit der EU offiziell über seinen Beitritt, aber eigentlich sprechen Belgrad und Brüssel schon seit dem Sturz von Slobodan Milosevic im Jahr 2000 darüber. Nordmazedonien, seit 17 Jahren Beitrittskandidat, hat sogar seinen Namen geändert, um die Griechen zu besänftigen – doch Bulgarien stellt sich weiter gegen Verhandlungen. Es ist auch der Frust über diese Hängepartien, der den traditionell großen Einfluss Russlands auf die Region weiter am Leben hält. Serbien etwa will die Sanktionen gegen Moskau nicht mittragen und wollte zuletzt sogar Putins Außenminister Lawrow als Staatsgast empfangen.
Sollte die EU angesichts der russischen Bedrohung beim Beitritt der Balkanländer also nun ein Auge zudrücken? Im Gegenteil. Trotz aller Integrationsbemühungen muss der Blick auf den Balkan gerade jetzt ein kritischer bleiben. Denn nicht nur die EU ist schuld daran, dass man bisher nicht zusammenkam. Auch die Reformfortschritte waren – nicht nur in Serbien – teils zu gering. Vor allem aber muss klar sein, dass Moskau (oder Peking) in einem künftigen EU-Land nichts zu sagen hat. Ein zweites Ungarn würde die Union nicht stärker machen.
Sebastian.Horsch@ovb.net