Der Kampf gegen den Lehrermangel

von Redaktion

Baden-Württemberg schickt schwangere Lehrerinnen wieder ins Klassenzimmer – Bayern vorerst nicht

München -– Die meisten Corona-Maßnahmen sind aufgehoben und das gewohnte Leben scheint weitestgehend zurückgekehrt. Doch einer Berufsgruppe sitzen die letzten zweieinhalb Jahre besonders in den Knochen: den Lehrern. Nicht verwunderlich also, dass der immer spürbarer werdende Lehrermangel wie ein Brennglas auf den ohnehin angeschlagenen Berufszweig wirkt.

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) schlägt deswegen Alarm: „2021 haben 70 Schulleiter von Grund- und Mittelschulen hier in Bayern hingeschmissen, weil sie es nicht geschafft haben“, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV, unserer Zeitung. Mit Blick auf das kommende Schuljahr ist dem Verband „ziemlich angst und bang“, wie Fleischmann resümiert. „Momentan haben wir den Eindruck, dass wir auf Sicht fahren: Wir wissen nicht, wie viele Flüchtlingskinder kommen. Wir wissen nicht, woher wir die Lehrer kriegen sollen. Wir wissen nicht, ob wir für das Geld Personal bekommen.“

Im Nachbarbundesland Baden-Württemberg hat die zuständige Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) dafür jetzt einen besonderen Vorschlag: Schwangere Lehrerinnen wieder – wie die Mutterschutz-Regelung vor Corona es vorgesehen hatte – in den Präsenzunterricht zu holen. „Wenn Lehrerinnen schwanger werden, fallen sie sehr plötzlich aus. Sie stehen uns von dem einen auf den anderen Tag nicht mehr für den Präsenzunterricht zur Verfügung“, begründet Schopper diesen Vorstoß.

Tatsächlich sind derzeit auch in Bayern 2959 Lehrkräfte – das entspricht 1,73 Prozent – an staatlichen Schulen schwanger, wie das Kultusministerium mitteilte. Doch dass diese Lehrerinnen wieder in Präsenz unterrichten sollen, lehnt die Staatsregierung momentan ab. „Nach aktueller Datenlage besteht für schwangere Frauen im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf“, erklärt das für Arbeitsrecht zuständige Sozialministerium. Wegen der „häufig wechselnden Personenkontakte“ sei es derzeit nicht möglich, zum Präsenzunterricht zurückzukehren.

Das Mutterschutzgesetz sieht jedoch eine individuelle Gefährdungsbeurteilung für die beruflichen Tätigkeiten von Schwangeren vor. Uta Ochmann, Fachärztin für Arbeitsmedizin am LMU Klinikum, plädiert dafür, dass – nach dem Ende der allgemeinen Corona-Kontaktbeschränkungen – wieder dazu zurückgekehrt werden soll. „Die Infektionsgefährdung bezüglich Sars-CoV-2 sollte individuell in Abhängigkeit von Unterrichtsfach, Raumgröße, Ventilationsbedingungen und Schüleranzahl bewertet werden“, erklärt sie auf Anfrage unserer Zeitung. Gleichzeitig warnt Ochmann, dass Personalmangel kein Faktor für die Beurteilung der Gefährdungslage sein darf.

Auch Fleischmann hielte es für „fatal“, wenn der Personalmangel höher wiegt als der Gesundheitsschutz. Gleichzeitig weiß sie aber auch von vielen Kolleginnen, die ihre Schwangerschaft sogar verschwiegen haben, um weiter arbeiten zu können.

Um den Lehrermangel auffangen zu können, fordert der BLLV deshalb, nicht nur auf kurzfristige Maßnahmen zu setzen. Vielmehr sollen die Arbeitsbedingungen attraktiver und die Lehrerbildung qualitativ besser werden. LEONIE HUDELMAIER

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