München – Wladimir Putin straft die Ukraine-Unterstützer ab: Seit Mittwoch fließt kein russisches Erdgas mehr über die russisch-deutschen Pipelines nach Frankreich, die Lieferungen nach Italien wurden um 50 Prozent gedrosselt. Die nach Deutschland wurden bereits am Donnerstag um 60 Prozent reduziert – verbunden mit Drohungen, den Gashahn ganz abzudrehen.
Sollte Russland so weit gehen, können die Gas-Speicher nicht wie geplant aufgefüllt werden – und im Winter könnte es zu Engpässen kommen. Erstmals seit Ende März stuft die Bundesnetzagentur in ihrem täglichen Bericht zur Gasversorgung die Lage als „angespannt“ ein. Jetzt schließt Energieminister Robert Habeck auch staatlichen Zwang zum Energiesparen nicht mehr aus: „Wenn die Speichermengen nicht zunehmen, dann werden wir weitere Maßnahmen zur Einsparung, zur Not auch gesetzlich, vornehmen müssen“, so der Grünen-Politiker in der ARD. Er ließ offen, ob das auch die Herabsetzung der vorgeschrieben Mindesttemperatur in Wohnungen bedeuten könne: „Wir werden uns alle Gesetze, die einen Beitrag leisten, anschauen.“
Am Vortag hatte der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, solch eine Herabsetzung der Mindesttemperatur in Mietwohnungen von derzeit 20 Grad ins Spiel gebracht. „Auch eine Wohnung mit 18 oder 19 Grad kann noch gut bewohnt werden, und dieses vergleichsweise kleine Opfer sollten alle mittragen können“, stimmte ihm jetzt der Chef des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, zu. Der Immobilienunternehmer-Verband GdW schlug eine abgesenkte Mindesttemperatur von 18 Grad tagsüber und 16 nachts vor. Der Eigentümerverband Haus & Grund bezeichnete es als prinzipiell „sinnvoll“, die Temperatur zu senken. Ein Grad weniger bedeute sieben Prozent weniger Energieverbrauch.
In der Politik gibt es trotzdem Protest, und zwar bei SPD wie CSU. Bundesbauministerin Klara Geywitz sagt: „Gesetzlich verordnetes Frieren halte ich für unsinnig. In der Rechtsprechung sind 20 Grad Minimum festgelegt.“ Alles darunter könne sogar gesundheitsgefährdend sein und sei auch gebäudetechnisch zu kurz gedacht. Ein Sprecher Habecks erklärte, der Minister werde „sehr genau“ hinhören, was die Bauministerin zu dem Thema sage. Bei einer Gasknappheit im Winter wäre vielmehr der erste naheliegende Schritt, Heizkraftwerke mit Kohle statt Gas zu befeuern.
CSU-Chef Markus Söder nannte die Ideen gegenüber unserer Zeitung eine „Bankrott-Erklärung“. In einem Energiepapier, das am Montag beschlossen werden soll, fordert die CSU unter anderem Pipelines für Flüssiggas und Wasserstoff zwischen Italien und Süddeutschland. Dringend müsse der Bund zudem dafür Sorge tragen, dass die Gas-Speicher in Österreich (wichtig für Bayern) aufgefüllt würden.
Teil des CSU-Konzepts ist auch eine Kernkraft-Verlängerung bis mindestens 2024. „Es ist ein Fehler, die drohende Energielücke durch die Abschaffung der Kernkraft noch zu vergrößern. Die Bundesregierung riskiert einen Blackout mit massiven Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft.“ Zudem müsse der Bund sofort von seinen Plänen abrücken, bei der Wasserkraft-Förderung einzuschneiden. KLAUS RIMPEL, CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER