AfD steuert weiter nach rechts

von Redaktion

VON ANNE-BEATRICE CLASMANN UND JÖRG RATZSCH

Riesa – Mit Tino Chrupalla und Alice Weidel stehen jetzt zwei Politiker an der Spitze der AfD, die als ideologisch flexibel gelten. Dennoch muss man kein intimer Kenner der parteiinternen Macht-Arithmetik sein, um zu verstehen: Auf dem Bundesparteitag im sächsischen Riese, der gestern nach einem Streit um eine Europa-Resolution vorzeitig endete, wurde ein Duo gewählt, das den Segen der einflussreichen Rechtsaußen-Strömung um den Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke hat. Auch wenn Höcke und die beiden Vorsitzenden politisch keineswegs immer einer Meinung sind.

Die Ausgangslage: Aus dem Lager derjenigen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz für Rechtsextremisten hält, bewirbt sich niemand um den Parteivorsitz. Die sogenannten gemäßigten Kräfte in der AfD schicken ihrerseits zwei Gegenkandidaten ins Rennen. Es soll ein Kurswechsel in ihrem Sinne werden – weg von „sozial-patriotischen“ Ideen, zurück zum „freiheitlich-konservativen“ Kurs der Anfangsjahre.

Doch die Kandidaten der „Gemäßigten“ bleiben erfolglos. Es sei denn, man wertet es bereits als ihren Erfolg, dass der recht unbekannte Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter, der gegen den amtierenden Vorsitzenden Chrupalla antritt, 36 Prozent der Stimmen holt. Damit sorgt er immerhin dafür, dass Chrupalla sein Ergebnis nicht verbessern kann.

Bei seiner ersten Wahl zum Vorsitzenden Ende 2019 hatte der Malermeister aus Sachsen in einer Stichwahl 54,5 Prozent der Stimmen geholt. Diesmal kann er 53,4 Prozent der Delegierten überzeugen. Das relativ schwache Resultat mag auch damit zusammenhängen, dass die Ergebnisse der Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in NRW für die AfD enttäuschend waren.

Alice Weidel, die mit Chrupalla bereits die Bundestagsfraktion leitet, bemüht sich, die trübe Stimmung zu vertreiben. Sie ruft in den Saal: „Nicht jeder Nackenschlag ist ein Knock-Out.“ Dass Weidel mit 67,3 Prozent ein deutlich besseres Ergebnis erzielt als Chrupalla, könnte man als Beleg für größere Akzeptanz deuten. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie mit dem Europaabgeordneten Nicolaus Fest einen weniger bekannten Herausforderer hat.

Stephan Brandner, der in Riesa als Partei-Vize im Amt bestätigt wird, sucht die Verantwortung für die Verluste bei den jüngsten Wahlen bei dem im Januar aus der AfD ausgeschiedenen langjährigen Vorsitzenden Jörg Meuthen. Er sagt, schlecht sei es erst gelaufen, als Meuthen Anfang 2020 begonnen habe „durchzudrehen“. Der so Gescholtene beobachtet das Treiben in Riesa aus der Ferne. Er sagt: „Die Partei ist, wie es nicht anders zu erwarten war, auf dem Parteitag in Riesa mit der von Höcke choreografierten Neuwahl des Bundesvorstands wie des Bundesschiedsgerichts endgültig ganz rechtsaußen angekommen.“ Wer da noch mitmache, müsse wissen, „auf was er sich einlässt“.

Vor der Wahl wurde auch darüber spekuliert, ob Björn Höcke für die Parteispitze kandidiert. „Vielleicht ist es in ein paar Jahren so weit“, sagte er. „Bis dahin bin ich in Thüringen gut aufgehoben.“ Dass er auch ohne Spitzenamt Einfluss ausüben kann, drückt er so aus: „Im Bund möchte ich ganz gerne, wie ich das bisher auch gemacht habe, aus der zweiten Reihe beratend tätig sein.“ Die Delegierten ruft er am Mikro dazu auf, sich einfach nicht mehr um die Einschätzung des Verfassungsschutzes zu scheren – und erhält viel Zuspruch.

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