CSU ringt um Kurs beim EU-Beitritt der Ukraine

von Redaktion

Weber: Schnell und ohne Hintertüren – Parteifreunde aus Berlin und München widersprechen

München – Die Ansage war unmissverständlich. „Die Ukraine gehört in die EU“, sagte CSU-Vize Manfred Weber, schnell müsse das gehen. „Aufmunternde Worte sind nicht genug, starke Fakten sind notwendig.“ Er verlangte „eine Botschaft ohne Hintertüren, dass die Ukraine EU-Beitrittskandidat wird“.

Eine Woche ist das her. Weber, der einflussreichste Außenpolitiker der CSU, Chef der Konservativen in Europa, steht nicht alleine da. Inzwischen ist sogar der Kanzler bei seinem Kiew-Besuch mit den Kollegen aus Frankreich, Italien und Rumänien eingeschwenkt auf ein klares Ja zum ukrainischen EU-Beitritt. Nur ein Widerstandsnest gibt es: Webers CSU.

In der Partei halten sich erhebliche Vorbehalte. Der internationale Sekretär der Partei, Florian Hahn, sagt zum Beispiel, er sehe keine Chance für einen EU-Beitritt der Ukraine (oder Moldaus und Georgiens) „in den nächsten 20, 30 Jahren“. Einen Beitritt zu versprechen sei „reine Symbolik, die uns noch vor die Füße fallen kann“.

Zu den Bedenken, die CSU-Politiker nennen, zählen: Warum ein Schnellverfahren für die Ukraine, wenn von anderen Bewerbern etwa am Balkan Jahr für Jahr Reformen eingefordert werden? Ist der EU klar, dass sie sich einen gewaltigen Netto-Empfänger in die eigenen Reihen holt? Importiert sich die EU damit einen kriegerischen Konflikt mitsamt allen Beistandsverpflichtungen?

Bayerns Finanzminister Albert Füracker äußert „größtes Verständnis für den Wunsch der Ukraine“, warnt aber vor „vorschnellen Versprechungen“. Man müsse „gravierende Auswirkungen“ bedenken und abwägen. Er ruft die Bundesregierung auf, sie solle sich „lieber zurückhalten und, bevor man neue Hoffnungen weckt, jetzt endlich erst einmal zuverlässig die versprochenen Waffenlieferungen vornehmen“.

Auch Alexander Dobrindt, der Chef der CSU im Bundestag, lässt nur begrenzte Begeisterung erkennen. Der Kandidaten-Status „hat unsere Unterstützung“, sagt er. „Allerdings reden wir bei Beitrittsverfahren über Prozesse, die Jahre oder gar Jahrzehnte dauern können und ein offenes Ergebnis haben.“ Dobrindt rät, besser „neue Partnerschafts-Perspektiven auch unterhalb einer Vollmitgliedschaft der EU zu schaffen“.

Das steht explizit im Kontrast zu Weber, der sich schon früh festgelegt hat: „Natürlich dürft ihr Mitglied werden“, rief er den Ukrainern schon im Mai zu. Und: „Ich kann nicht akzeptieren, dass man sagt, ihr seid Zweite-Klasse-Europäer.“

Gelegenheit zur Aussprache findet sich heute: In München holt Parteichef Markus Söder den CSU-Vorstand zusammen. Auch über die Ukraine und die EU soll gesprochen werden. Söder selbst hat sich inhaltlich bisher nicht festgelegt. Ob er das tut, ist offen – sein Fokus liegt derzeit auf der Landespolitik.

Auf CDU-Seite ist die Lage übrigens auch nicht einfach. Mehrere Fachpolitiker werben offen für Tempo beim EU-Beitritt. Parteichef Friedrich Merz warnte im April noch, es dürfe in der Ukraine keine Rückschritte geben. Die EU wolle „nicht die Ukraine sehen, die wir schon mal hatten, nämlich die mit Oligarchen und mit großer Korruption“. Inzwischen setzt er sich aber nachdrücklich für einen Beitritts-Status ein, auch wenn das Verfahren „realistischerweise erst nach diesem Krieg beginnen“ könne. CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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