Berlin – Die Situation sei ernst, wird Robert Habeck in einem fünfseitigen Papier zitiert. „Der Gasverbrauch muss weiter sinken, dafür muss mehr Gas in die Speicher, sonst wird es im Winter wirklich eng.“ Seit Russland den Gasfluss nach Deutschland um 60 Prozent reduziert hat, wird die Lage immer angespannter. Jetzt stellt der Bund Milliardenmittel bereit, um den Einsatz von Gas für die Stromerzeugung und Industrie zu senken. Außerdem sollen mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen.
„Es ist offenkundig die Strategie von Putin, uns zu verunsichern, die Preise in die Höhe zu treiben und uns zu spalten“, sagt Grünen-Politiker Habeck. Der russische Staatskonzern Gazprom hatte von Verzögerungen bei der Reparatur von Verdichterturbinen gesprochen, als die Gaslieferungen vergangenen Donnerstag gedrosselt wurden. Habeck stufte die Maßnahme als politisch motiviert ein. Im Raum steht die Sorge, dass Putin den Gashahn komplett abdreht.
Konkret geht es jetzt um folgende Pläne: Um die Einspeicherung von Gas zu sichern, stellt die Bundesregierung schon in Kürze eine zusätzliche Kreditlinie über die Staatsbank KfW in Höhe von 15 Milliarden Euro zur Verfügung, wie es aus Regierungskreisen hieß. Dieser Kredit ist demnach mit dem Finanzministerium besprochen.
Habeck plant außerdem noch im Sommer ein Gasauktions-Modell. Dieses soll industriellen Gasverbrauchern Anreize bieten, Gas einzusparen. Industriekunden, die auf Gas verzichten können, sollen ihren Verbrauch gegen Entgelt verringern, das über den Markt finanziert wird – und das Gas zur Verfügung stellen, damit es eingespeichert werden kann.
„Alles, was wir weniger verbrauchen, hilft“, so Habeck. Die Industrie sei dazu ein Schlüsselfaktor. Gas ist nicht nur fürs Heizen von Wohnungen wichtig, sondern auch in der Industrie, als Rohstoff für die Produktion sowie für die Energieerzeugung.
Wie von Habeck bereits angekündigt, soll außerdem weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden. Stattdessen sollen Kohlekraftwerke stärker zum Einsatz kommen. „Das ist bitter, aber es ist in dieser Lage schier notwendig, um den Gasverbrauch zu senken.“ Ein entsprechendes Gesetz soll noch am 8. Juli vom Bundesrat beschlossen werden und dann zügig in Kraft treten.
Parallel dazu bereitet das Wirtschaftsministerium eine notwendige Ministerverordnung vor, um die „Gasersatzreserve“ in Gang zu setzen. Dafür sollen Kraftwerke, die bereits als Reserve zur Verfügung stehen, ertüchtigt werden – um kurzfristig an den Markt zurückkehren zu können. Die Gasspeicher müssten zum Winter hin voll sein, das habe oberste Priorität. Aktuell liegen sie bei rund 56,7 (siehe Wirtschaft).
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger kritisiert, dass die Bundesregierung die Gasversorgung „falsch eingeschätzt“ und „Zeit vergeudet“ habe. „Ich fordere seit März, Kohlevorräte für sechs Monate anzulegen und Gasverstromung durch Entschädigung zu reduzieren und mit Kohle abzudecken“, sagte er. Er wirft der Ampel zudem „ideologische Denkverbote“ vor: Die Bundesnetzagentur müsse prüfen, „ob wir ohne Atomstrom und bei Gasmangellage gut durch den Winter kommen“.