Kiew – In dem erbitterten Kampf um die ostukrainische Stadt Sjewjerodonezk haben russische Truppen Geländegewinne erzielt und sind in einen Vorort eingedrungen. „Durch Beschuss und die Erstürmung hat der Feind in der Ortschaft Metjolkine einen Teilerfolg erzielt und versucht, sich dort festzusetzen“, heißt es vom ukrainischen Generalstab.
Russische Truppen haben das weitgehend zerstörte Sjewjerodonezk immer noch nicht unter Kontrolle. Allerdings wird die Lage immer prekärer für ukrainische Zivilisten, die Zuflucht im örtlichen Chemiewerk Azot gesucht haben. 568 Zivilisten hätten darin Schutz gesucht, darunter 38 Kinder, sagte der Gouverneur des Gebietes Luhansk, Serhij Hajdaj. „Es gibt ständigen Kontakt zu ihnen. Man hat ihnen mehrfach eine Evakuierung angeboten, aber sie wollen nicht.“
Auch in der Südukraine haben die russischen Truppen nach eigenen Angaben militärische Erfolge erzielt. Angeblich haben sie mit einem Raketenangriff einen Führungsgefechtsstand der ukrainischen Streitkräfte mit hochrangigen Offizieren zerstört. „Durch den Schlag wurden mehr als 50 Generäle und Offiziere der ukrainischen Streitkräfte, darunter auch Generalstabsoffiziere und der Kommandostab des Truppenverbands „Kachowka“, der Luftlandetruppen und der Verbände vernichtet, die im Gebiet Mykolajiw und Saporischschja agieren“, heißt es aus dem russischen Verteidigungsministerium.
Erst am Samstag war der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj selbst in Mykolajiw. Er besuchte die Front im Süden und war auch in Odessa unterwegs. Nach seiner Rückkehr erklärte Selenskyj die russischen Gebietsansprüche im Süden der Ukraine für nichtig. „Wir werden niemandem den Süden abgeben.“ Die Ukraine werde sich ihr Territorium zurückholen und auch den sicheren Zugang zum Meer wiederherstellen, sagte er.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rechnet mit einem jahrelangen Krieg in der Ukraine. „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass er Jahre dauern könnte“, sagte er. Deshalb dürfe man nicht nachlassen in der Unterstützung der Ukraine. Die Kosten seien hoch, weil die Militärhilfe teuer sei und die Preise für Energie und Lebensmittel steigen. Aber das sei kein Vergleich zu dem Preis, den die Ukraine jeden Tag mit vielen Menschenleben zahle.
Aus den umkämpften Gebieten der Ukraine sind nach Angaben des Moskauer Militärs fast zwei Millionen Menschen nach Russland gebracht worden. Allein am Samstag seien fast 30 000 Menschen nach Russland evakuiert worden, darunter 3500 Kinder, sagte Generaloberst Michail Misinzew. Nach Moskauer Darstellung werden die Menschen nach Russland in Sicherheit gebracht. Aus Sicht der Ukraine deportiert Russland ihre Bürger.