MATTHIAS LOHR
Nun ist passiert, was niemals hätte passieren dürfen: Die documenta zeigt antisemitische Kunst. Auf einem wimmelbildartigen Großplakat des indonesischen Kollektivs Taring Padi auf dem Kasseler Friedrichsplatz war unter anderem ein Jude mit Schläfenlocken und SS-Runen auf dem Hut zu sehen. Die Karikatur der linken Künstlergruppe ist offen antisemitisch. Daran besteht kein Zweifel. Für die Kunstschau ist es nach der monatelangen Antisemitismusdebatte der größte anzunehmende Unfall.
Es stellen sich zwei Fragen. Zum einen: Wie konnte es dazu kommen? Umfassend aufgeklärt hat dies die documenta mit ihrer Erklärung nicht, die sie nach langem Schweigen verschickte. Zum anderen: War es richtig, das Banner zunächst zu verhüllen, als sei es ein Werk des Verpackungskünstlers Christo? Selbst besonnene Beobachter forderten den sofortigen Abbau. Es gab auch Stimmen, die sich dafür aussprachen, das Riesenposter unverhüllt hängen zu lassen. Man müsse es einordnen. Endlich müsse die Diskussion über Antisemitismus beginnen, den es nicht nur in der islamischen Welt gibt.
Die documenta konnte nur eine schlechte Entscheidung treffen, denn eine gute gibt es jetzt nicht mehr. Dieses Dilemma hat die Leitung selbst zu verantworten. Dieser Eklat wird die immer noch bedeutendste Kunstschau der Welt in ihren Grundfesten erschüttern – mehr noch als der Finanzskandal 2017.
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