Von Gesundheitsminister Jens Spahn ist ja wirklich nicht viel geblieben, aber immerhin der Satz, man werde sich nach der Pandemie „viel verzeihen müssen“. Ein paar Tropfen Pathos davon abwischen, dann fällt auf: Recht hat er schon. Die Corona-Politik war seit 2020 ein lernender Prozess voll richtiger und falscher Entscheidungen. Kleine Fehler: das Parkbank-Verbot, heillos übertrieben (weiß man heute). Mittlere Fehler: das Gerede, Masken machten krank und hülfen nicht. Große Fehler: zum Beispiel keinen flächendeckenden Digitalunterricht zu haben, nicht mal in Bayern, als Schulen geschlossen wurden. Einiges davon wird die nahende bundesweite Evaluierung der Maßnahmen recht hart offenlegen.
Gut so. Aber hoffentlich gleitet das nicht in schrille Rechthaberei ab; wofür es Anzeichen gibt. Virologen, die sich tief in ihre verschiedenen Meinungen eingegraben haben, auch wenn manche mehrfach widerlegt wurden; Politiker, die sich als Maßnahmengegner knapp vor der AfD profilieren wollen (das hat der FDP drei Landtagswahl-Niederlagen mit beschert) oder als düstere Mahner.
In dritten Corona-Jahr kann Deutschland mit Erfahrung auf dem Buckel in die nächsten Wellen gehen. Allein heuer wird’s noch dreimal rauf und runter gehen – solange die Schwerkranken- und Toten-Zahlen nicht steigen, ist das nun beherrschbarer Teil unseres Alltags. Für Herbst sollte es vorsorglich wieder einen Instrumentenkasten geben, nicht erst in letzter Minute Ende September und bitte regional flexibler als zuletzt. Und: Eine Änderung des politischen Tons, am besten gleich. Denn zwei Dinge torpedieren die Vorbereitung: Panik und Populismus.
Christian.Deutschlaender@ovb.net