Der Westen und Putins Krieg

Weltgeschichte in Elmau

von Redaktion

GEORG ANASTASIADIS

Weltpolitik in Elmau: Das gab es schon mal, 2015, mit – wie wir heute wissen – mäßigem Erfolg: Der damalige Umgang mit Putin nach dessen Einmarsch auf der Krim hat noch Schlimmeres leider nicht verhütet. Wenn die G7 am Sonntag an Bayerns vielleicht malerischsten Landstrich zurückkehren, dann tun sie es, um alte Fehler zu korrigieren und die Linien der Geschichte neu zu ziehen: Auf der Tagesordnung der mächtigsten Sieben des Westens steht nicht weniger als die Neuordnung der Welt nach Putins barbarischem Überfall auf die Ukraine. Der Bundeskanzler hat die Deutschen auf die neue Zeit eingestimmt: Eine Partnerschaft mit Putins Russland, so sagte Olaf Scholz am Mittwoch im Bundestag, ist auf absehbare Zeit unvorstellbar. Nicht nur sprach der Kanzler von der Notwendigkeit eines Marshallplans, um die Ukraine als späteres EU-Mitglied wieder aufzubauen; dazu gibt es, mag sich die CSU auch sträuben, keine Alternative. In Erwartung eines neuen, erbitterten Ringens der Systeme lud Scholz als Gastgeber außerdem Indonesien, Senegal, Argentinien, Südafrika und Indien zum Gipfel nach Elmau ein, um sie nicht allein den Umarmungsversuchen Moskaus und Pekings zu überlassen. Gerade Indien und Südafrika hatte Putin zuvor ausdrücklich als neue Wunschpartner Russlands genannt. Dem Westen hingegen, so hatte es ebenso bizarr wie Unheil kündend aus dem Kreml geheißen, werde Russland nie wieder vertrauen können.

Das nach 1990 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion voreilig ausgerufene „Ende der Geschichte“ ist abgesagt, der Systemwettbewerb zurück auf der Weltbühne. Heute steht nicht mehr so wie im Kalten Krieg Kapitalismus gegen Kommunismus, sondern ein aggressiver Autoritarismus gegen die Ideen von Demokratie und Freiheit, das Recht des Stärkeren gegen die Stärke des Rechts. Zur Neuordnung der Welt gehört das plötzliche Streben Schwedens und Finnlands in die Nato und die hektischen Bemühungen Europas, den Westbalkan schnell an die EU zu binden. All das zeigt das Ausmaß der Gefahr, die von Russlands neoimperialistischer Kriegspolitik für Europa ausgeht, aber auch die Entschlossenheit, mit der sich der wieder geeinte Westen Putins entsetzlichem Kulturbruch entgegenstemmt.

Einem geschichtlichen Irrtum unterliegen die Aktivisten, die nicht Russland, sondern Nato, G7 und dem neu-alten Feindbild USA jetzt „Kriegstreiberei“ vorwerfen und ihrer Zerstörungswut bereits im Vorfeld des G7-Gipfels freien Lauf ließen. Doch geht nicht von einem versprengten Häuflein radikaler Aktivisten Gefahr für die Wehrhaftigkeit des Westens aus, sondern von der großen Zahl der Kriegsmüden, denen schon die teure Energie ein Zuviel an Solidarität für die für ihre und unsere Freiheit kämpfenden Ukrainer bedeutet. Verblasst ist bei vielen die Erinnerung an den Kalten Krieg und daran, dass es schon damals starker Nerven bedurfte, um sich nicht von Drohgebärden und Ängsten überwältigen zu lassen. Viele Bundesbürger, die sich nach der Wiedervereinigung von Freunden umzingelt glaubten, wollen die Notwendigkeit verstärkter Verteidigungsanstrengungen noch immer nicht wahrhaben, träumen von einer schnellen Rückkehr zum „business as usual“ und billiger Energie wie vor dem Krieg. Doch das wird es lange nicht mehr geben. Es stimmt: Die neue Zeit, so hat es Finanzminister Lindner gesagt, wird eine Zeit der Entbehrungen sein. Vor uns liegen Jahre der Anstrengung: Wir müssen unsere Verteidigungsfähigkeit stärken, uns aus der russischen Energieumklammerung lösen und uns wirtschaftlich von China unabhängiger machen. Aber der Westen ist finanziell, ideell und militärisch stark genug, um diesen Kampf zu bestehen.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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