Eklat um Münchens Riesen-Tunnel

von Redaktion

Die Kosten explodieren, der Gipfel platzt: Streit zwischen Bayern und dem Bund verschärft sich

München – Man kann nicht sagen, dass Volker Wissing zurzeit einen gemütlichen Job hätte. Die Personalprobleme und Riesenschlangen an den Flughäfen lassen den Bundesverkehrsminister plötzlich ins Rampenlicht rücken, die unpünktliche Bahn soll seine Chef-Sache werden, und in die Verbrenner-Debatte bei den Pkw schaltete er sich auch ein. Und weil das nicht reicht, hat er seit spätestens gestern ein weiteres Milliarden-Problem am Hals: Die Kosten der zweiten Münchner Stammstrecke, eines der größten Verkehrsprojekte der Republik, explodieren.

Um rund 1,5 Milliarden Euro wird das Projekt nach Informationen unserer Zeitung teurer, also insgesamt weit über fünf Milliarden Euro. In Berlin raunen sogar Abgeordnete von sechs Milliarden. Die ersten Züge werden nicht vor 2034 rollen, einen halbes Jahrzehnt später als erhofft. Fehlplanungen in Details sollen dahinterstecken, neue Anforderungen an eine U-Bahn-Querung, aber auch die extreme Inflation. Für FDP-Mann Wissing sind das keine guten Nachrichten aus dem Süden – denn er soll zahlen. Stadt wie Freistaat sehen den Bund für die Mehrkosten in der Pflicht. Bisher ist vereinbart, dass Berlin 60 Prozent der Baukosten überweist.

Angesichts der überall explodierenden Ausgaben ist das keine kleine Nummer. Entsprechend groß ist die Unruhe. Man darf auch vermuten: der Zorn. Wissing sollte heute Vormittag eigentlich nach München kommen, um mit Stadt und Freistaat über die Stammstrecke zu reden. Sehr Wohlmeinende murmelten vorab etwas von einem „Kennenlerntreffen“, Insider ahnten: Es wird eine Krisenrunde angesichts der explodierenden Kosten. Nun aber hat Wissing am Mittwochabend die Reißleine gezogen. Nach Informationen unserer Zeitung lässt er den Gipfel kurzfristig platzen, kommt nicht zu Söder in die Staatskanzlei – offenbar ist er sauer, dass die Zahlen der Mehrkosten die Runde machten. Wissing nannte auch keinen Ersatztermin.

Das deutet auf sehr mühsame und belastete Gespräche über das Riesen-Projekt hin. Wissings Absage sorgt für Kopfschütteln in der Staatsregierung. Es passt ins Bild: Dem Vernehmen nach war seit seinem Amtsantritt vergangenes Jahr ein Termin für ein Gespräch erbeten worden, der Herr Minister war aber immer ausgebucht.

In München nährt das die Sorge, von der Ampel-Koalition finanziell sehr kurz gehalten zu werden. Söder wirft der Scholz-Regierung seit Monaten vor, Mittel für Bayern zu kürzen. Es geht die Angst um, Wissings Haus werde die nächste Stufe des Donau-Ausbaus streichen. Bereits einkassiert ist ein fest zugesagter Standort für das Bundeswehr-Transportflugzeug A400M in der Nähe von Augsburg, 170 Millionen Euro sollten dafür fließen. Die Ampel hat außerdem im aktuellen Haushalt die Mittel für das „Deutsche Zentrum für Mobilität“, das in München entstehen sollte, drastisch zusammengekürzt. Da geht es langfristig um eine dreistellige Millionensumme. Zumindest leicht gekürzt wurde von der Ampel zudem das Geld für ein Wasserstoff-Technologiezentrum in Niederbayern.

„Steine statt Brot“ werde es aus Berlin geben, hat Söder schon oft geklagt. Im Landtagswahlkampf 2023 dürften diese Steine für ihn ganz handlich sein – er kann SPD, Grünen und FDP im Landtag vorhalten, sich für Bayern zu wenig einzusetzen. In der Sache könnte das für die neue Stammstrecke aber noch heikel werden, wenn es keine Einigung über frisches Geld gibt. C. DEUTSCHLÄNDER

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