Das Gesetz für mehr Selbstbestimmung

von Redaktion

Ampel-Plan: Transsexuelle können Geschlecht und Vorname einfacher ändern – Verbände befürworten Vorschlag

München – Nach über 40 Jahren soll das Transsexuellengesetz reformiert werden. Die Ampel-Koalition plant stattdessen ein Selbstbestimmungsgesetz.

Konkret vorgesehen ist damit, dass Transsexuelle ihr Geschlecht und ihren Vornamen künftig leichter ändern lassen können. Eine einfache unbegründete Erklärung beim Standesamt soll dafür ausreichen, kündigte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) an. Minderjährige ab 14 Jahren benötigen das Einverständnis der Eltern. Bei einer erneuten Änderung gilt eine Sperrfrist von einem Jahr.

Die bisherige Regelung habe transsexuellen Menschen die Botschaft vermittelt: „Eigentlich stimmt was nicht mit euch“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bei der Vorstellung der neuen Eckpunkte. Transsexuelle mussten bisher zwei psychologische Gutachten einreichen und danach entschied das Amtsgericht darüber, ob der Geschlechtseintrag geändert wird. Die beiden ersten offen Transsexuellen im Bundestag, Tessa Ganserer aus dem Wahlkreis Nürnberg und Nyke Slawik aus dem Wahlkreis Leverkusen (beide Grüne), bewerteten dieses Vorgehen als „Fremdbestimmung und Entmündigung“.

In einem gemeinsamen Statement berichteten sie davon, dass sich transsexuelle Menschen bisher als psychisch krank diagnostizieren lassen mussten, um ihren Personenstand ändern zu können. „Dabei werden sie mit intimsten und entwürdigenden Fragen konfrontiert“, kritisierten beide. Damit soll künftig Schluss sein. „Niemand kann die Geschlechts-identität eines Menschen überprüfen“, betonte Paus.

Betroffenenverbände reagierten positiv auf das Vorhaben. Die Eckpunkte „sehen viele wegweisende Verbesserungen vor“, sagte Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans*.

Auch der Kinderschutzbund befürwortet das Gesetz. Die eigene Unsicherheit über die Geschlechtszugehörigkeit und die Konfrontation anderer beeinträchtige Kinder und Jugendliche, sagte der Präsident Heinz Hilgers. „Diese Gemengelage kann hohe psychische Belastungen erzeugen und führt in einigen Fällen sogar zum Suizid.“

Michael Bastian vom Bundesverband für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie in Bayern erklärte gegenüber unserer Zeitung, es sei „überholt, beweisen zu müssen, dass man tatsächlich trans ist“. Dass Menschen durch das neue Gesetz jedes Jahr ihr Geschlecht ändern – wie Kritiker befürchten –, hält der Psychotherapeut für unwahrscheinlich. „Das ist ja ein existenzielles Thema – das macht man nicht so nebenbei.“ Allerdings fehle in dem neuen Gesetz laut Bastian eine konkrete Regelung zu der tatsächlichen Geschlechtsangleichung und zur notwendigen fachlichen Unterstützung von Betroffenen.

Bedenken äußert der Psychologe Bernd Meyenburg, der die erste deutsche Sprechstunde für transidente Kinder und Jugendliche einführte, gegenüber dem RND. „Dass man sein Geschlecht ab 14 Jahren ändern kann, halte ich für problematisch. In der Zeit in und um die Pubertät festigt sich das Geschlecht erst.“ Deswegen empfehle er eine Grenze von 16 Jahren.

Nach dem Willen der Union solle das psychologische Gutachten erhalten bleiben. Besonders wenn es um Minderjährige gehe, „wäre eine unterstützende psychologische Begutachtung aus Sicht der Union zwingend notwendig“, befürwortet die familienpolitische Sprecherin der Union, Silvia Breher.

Das Gesetz soll laut Buschmann und Paus noch dieses Jahr das Kabinett erreichen.

LEONIE HUDELMAIER

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