Berlin – Der Streit ums Wahlrecht kocht wieder hoch. Diesmal gibt es aber eine Aussicht auf Bewegung. Die Parteien der Ampel-Koalition haben sich auf ein gemeinsames Modell verständigt, um den Bundestag zu verkleinern. Die Wahlrechtskommission des Bundestags solle am Donnerstag grünes Licht für den Reformplan geben, berichtet „Bild am Sonntag“.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, sagte: „Ich rechne mit Zustimmung in den Ampel-Fraktionen.“ Ob das Verfahren so zügig anläuft, ist allerdings umstritten. „Es wäre schön, wenn es so schnell ginge“, sagte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle. Aber eine Reform in den kommenden Tagen zu erwarten, sei „stark übertrieben“. Bis Ende August lege die Kommission zur Reform des Wahlrechts ihren Zwischenbericht vor. Danach beginne das Gesetzgebungsverfahren. „Fest steht: Der Bundestag muss kleiner werden.“
Die Eckdaten für den Entwurf sind schon bekannt. Die Pläne von SPD, Grünen und FDP sehen vor, dass nach der Bundestagswahl 2025 das Parlament nicht mehr als die gesetzlich vorgesehenen 598 Sitze hat. Derzeit sind es infolge der Überhang- und Ausgleichsmandate 736. Demnach soll es zwar beim personalisierten Verhältniswahlrecht mit Erst- und Zweitstimme bleiben, über die Größe des Bundestags soll jedoch nur noch die Zweitstimme entscheiden. Die Überhang- und Ausgleichsmandate würden damit entfallen, allerdings würden auch nicht alle Gewinner in den Wahlkreisen ins Parlament einziehen.
Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Land mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Die anderen Parteien erhalten dann wiederum Ausgleichsmandate, um den Proporz aus den Zweitstimmen wiederherzustellen.
Der Ampel-Plan sieht nun vor, dass eine Partei in einem Bundesland nur so viele Wahlkreismandate zugeteilt bekommt, wie ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Wer sein Direktmandat nur knapp gewinnt, könnte es demnach nicht bekommen. Davon wäre vor allem die CSU betroffen, die mehr als ein Viertel ihrer Direktmandate verlieren könnte. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kündigte in der „Bild“ an: „Wenn die Ampel-Fraktionen sich zu so einem Manöver entschließen würden, werden wir dagegen umgehend Verfassungsklage einreichen.“ Auch die CDU äußerte sich erbost. Bisher hatten die Parteien reihum stets Vorschläge für eine Reform vorgelegt, die die anderen Fraktionen mehr Posten kosten würden – nie fand sich dafür eine Mehrheit.
Debatten über eine Verkleinerung des Parlaments gibt es auch in Bayern. Hier will die FDP ein Volksbegehren anstoßen, hat aber politisch dafür ausschließlich in der AfD Unterstützung gefunden. Der Landtag, aktuell 205 Mitglieder, darunter einige fraktionslos, soll auf 180 festgeschrieben werden. afp/cd