Die Kollegen des Berliner „Tagesspiegel“ haben vor Gericht einen Erfolg erzielt: Das Bundeskanzleramt muss den Journalisten die Kurzprotokolle der Bund-Länder-Konferenzen zugänglich machen. Nun könnte man launig einwenden, dass die Sitzungen der Ministerpräsidenten dank der Durchstechereien diverser Beteiligter ohnehin im halb-öffentlichen Raum stattgefunden haben. Doch das Urteil hat einen ernsten Hintergrund – und ist ein wichtiger Erfolg für freie Presse und Rechtsstaat.
Man kann es nicht oft genug wiederholen: Die Einschränkungen der persönlichen Freiheitsrechte, die während der Pandemie vorgenommen wurden, schienen noch kurz vor deren Ausbruch völlig undenkbar. Daran sollte sich selbst im dritten Jahr niemand gewöhnen, gerade auch mit Blick auf Herbst und Winter. Deshalb ist Transparenz bei der politischen Entscheidungsfindung auch im Nachgang enorm wichtig. Nicht so sehr, um mit dem Finger auf Schuldige zu zeigen (was wirklich richtig war, können Experten ja nicht einmal im Rückblick sagen), sondern eher auch um teils haarsträubenden Verschwörungstheorien entgegenzuwirken.
Dass es das Kanzleramt auf einen Prozess ankommen lässt, spricht nicht dafür, dass diese politische Dimension schon überall erkannt wurde. Bedauerlich.
Mike.Schier@ovb.net