München – Der neue Ton wird schon in den ersten Sätzen deutlich. Nancy Faeser (SPD) – als Innenministerin Nachfolgerin eines gewissen Horst Seehofer (CSU) – nennt Deutschland ein „vielfältiges Einwanderungsland“. Nun wolle die Bundesregierung die Zuwanderung „aktiv gestalten statt wie in den letzten Jahren nur widerwillig verwalten“. Das Kabinett hat deshalb ein erstes Migrationspaket beschlossen, das nach der Sommerpause in die parlamentarische Beratung kommt. Zwei weitere Pakete sollen zum Jahresende und im kommenden Jahr folgen.
Im ersten Paket geht es um mehrere Punkte: Mit dem schönen Titel Chancen-Aufenthaltsrecht will die Regierung gut integrierten, aber nur geduldeten Ausländern ermöglichen, sich in Deutschland fest niederzulassen. Eine „echte Chance“ nennt Faeser das. Die Voraussetzungen sind klar: Betroffene müssen mindestens fünf Jahre im Land leben (Stichtag: 31. Dezember 2021), Deutsch sprechen, ihren Lebensunterhalte selbst verdienen und ihre Identität zweifelsfrei nachweisen. Für junge Menschen unter 27 Jahren beträgt die Mindest-Aufenthaltsdauer drei Jahre. Konkret gibt es in Deutschland 242 000 Geduldete, 136 000 leben schon länger als fünf Jahre hier. Die meisten davon im erwerbsfähigen Alter.
„Damit beenden wir die unsägliche bisherige Praxis der Kettenduldung, die insbesondere auch von den Ausländerbehörden beklagt wurde“, sagt die Ministerin. Auch für Betroffene sei der Zustand der ständigen Verlängerung ihrer Duldung belastend. Faeser sagt klar: Straftäter sind von der Regelung ausgeschlossen. Auch Menschen, die ihre Identität verschleiern, hätten keine Chance.
Das ist der Punkt, wo bei Faeser die Innenministerin durchkommt. Dafür findet die SPD-Politikerin die schöne Umschreibung, man wolle „schnellere Perspektiven für die Ausreise“ schaffen. Konkret: Straftäter und Gefährder will man mit einer „Rückführungsoffensive“ loswerden. Dazu wird die Dauer der Abschiebehaft verlängert. In der Praxis könne das einen großen Unterschied machen, sagt Faeser. Bislang ende die Haft nach drei Monaten – danach seien viele verschwunden und könnten nicht mehr abgeschoben werden. Nun beträgt die maximale Abschiebehaft sechs Monate. „Eine konsequente Rückführung ist im Interesse der Akzeptanz einer humanitären Migrationspolitik geboten“, heißt es in dem Gesetz.
Generell geht es der Koalition aber darum, dass die Integration früher beginnt. Asylbewerber sollen von Anfang an Zugang zu Sprach- und Integrationskursen haben. Bislang hing dies von der Bleibeperspektive ab. „Unsere Werte und unsere Sprache zu vermitteln, ist immer wichtig, auch wenn Menschen nur vorübergehend in unserem Land sind“, findet Faeser. Ganz billig ist der Schritt nicht. Die Koalition beziffert die Mehrausgaben bis 2026 auf insgesamt 436,5 Millionen Euro. Auch auf die Sozialkassen kommen höhere Kosten zu: Wer das Chancen-Aufenthaltsrecht nutzt, wechselt von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zur höheren Grundsicherung. Für 2023 rechnet die Bundesregierung mit Mehrausgaben von 180 Millionen Euro. Langfristig soll die erhoffte bessere Integration der Betroffenen aber zu Mehreinnahmen führen.
Ganz wichtig ist der Ampel auch der leichtere Zuzug von Fachkräften. Darum sollen sich vor allem die nächsten Pakete drehen. In diesem ist nur geregelt, dass gut Qualifizierte sofort ihre Familie mitbringen können, auch wenn diese kein Deutsch spricht. Bislang habe dies viele Fachkräfte davon abgehalten, sich für Deutschland zu entscheiden, sagt Faeser.
Die Union lehnt die Pläne ab. Der innenpolitische Sprecher Alexander Throm (CDU) kritisierte, mit der neuen Regelung würden Menschen belohnt, „die nicht verfolgt oder schutzbedürftig sind, ausreisen müssten und sich trotzdem beharrlich weigern“. Man schaffe „massive Anreize für illegale Migration nach Deutschland“. Faeser verweist auf die hohen Hürden wie Sprache und Beruf. Dass es einen „Pull-Effekt“ gebe, sei „Unsinn“. (mit afp)