Zwischen Lügen und Affären

von Redaktion

Boris Johnson war lange sehr erfolgreich, weil er anders ist – Mit der Wahrheit nahm er es aber nie so genau

München – „Chaos ist nicht so schlecht, Chaos bedeutet, dass alle zu mir blicken müssen, um zu sehen, wer der Chef ist.“ Das ist ein Boris-Johnson-Zitat zu seiner Corona-Politik – es passt aber auch als Beschreibung seiner gesamten Karriere. Die Karriere des britischen Premiers ist von Skandalen und Chaos geprägt. Der Skandal-Journalist: Als Brüssel-Korrespondent des „Daily Telegraph“ erfindet er Ende der 80er-Jahre Geschichten über angebliche EU-Pläne, Kondomgrößen zu standardisieren oder eine „Bananenpolizei“ einzuführen. Bei der „Times“ war er zuvor wegen erfundener Zitate gefeuert worden.

Der Rambo-Bürgermeister: Auch als Londoner Bürgermeister (2008 bis 2016) lügt Johnson, behauptet etwa, die Zahl der Polizeibeamten sei gestiegen – in Wahrheit war sie gesunken. 2015 geht ein Film um die Welt, der seine Gnadenlosigkeit zu bebildern scheint: Bei einem Staatsbesuch in Tokio rennt er beim Rugby einen Zehnjährigen brutal um.

Die Brexit-Lügen: Sein Aufstieg bei den Torys, der ihn übers Außenministeramt zum Tory-Chef und Premier führt, basiert auf seiner größten Lüge: Obwohl er nach internen Aussagen eigentlich ein EU-Befürworter ist, schürt er mit falschen Zahlen die Stimmung für den Brexit. So behauptet er, Großbritannien würde der EU wöchentlich 350 Millionen Pfund überweisen – eine gnadenlos übertriebene, erfundene Summe.

Die Renovierungs-Affäre: Britische Regierungschefs dürfen jährlich öffentliche Gelder in Höhe von bis zu 30 000 Pfund für Renovierungsarbeiten beanspruchen. Doch Johnson lässt die Downing Street für weit mehr als 100 000 Pfund luxussanieren. Für die Mehrkosten des Umbaus kommt auf Bitten des Premiers offenbar weitgehend der Tory-Spender David Brownlow auf. Als Gegenleistung für Brownlows Zuschuss, so legen es veröffentlichte WhatsApp-Nachrichten aus dem November 2020 nahe, soll Johnson versprochen haben, ein von dem Multimillionär favorisiertes Kulturprojekt voranzubringen – für die Opposition ein klarer Fall von Korruption.

Der Luxus-Urlaub: Der Premier macht zum Jahreswechsel 2019/2020 eine Woche Urlaub mit seiner Freundin auf der Karibikinsel Mustique – in einer Villa mit Butler, Koch und Gärtner. Gegenüber dem Parlament gibt er an, der britische Millionär David Ross sei für die Kosten (15 000 Pfund) aufgekommen. Doch der streitet das ab.

Der Corona-Verharmloser: Bei der Klimakonferenz 2021, als Corona Großbritannien im Griff hat, sitzt Johnson ohne Maske neben dem 95 Jahre alten David Attenborough – ein Symbol für seine generelle Verharmlosung der Pandemie. „Keine verdammten Lockdowns mehr! Sollen sich halt die Leichen stapeln“, zitieren Zeugen Johnson. Als der Premier dann angesichts explodierender Todeszahlen doch noch einen harten Lockdown verhängt, feiern er und seine Minister im Mai 2020 Partys mit Tanz und Alkohol in der Downing Street, während sein Volk die Wohnung nicht verlassen darf. Die Enthüllungen darüber führen am 6. Juni zu einem Misstrauensvotum seiner eigenen Partei, das er nur knapp übersteht. KLAUS RIMPEL

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