München – Die Folgen des Ukraine-Kriegs haben den Energiemarkt durcheinandergewirbelt. Während Deutschland am Atomausstieg 2022 festhält, verschieben oder stornieren andere Länder entsprechende Pläne.
Schon vor dem Ukraine-Krieg kündigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine „Renaissance der Atomkraft“ an. Das Land mit den meisten Atomkraftwerken in Europa bezieht fast 70 Prozent seines Stroms aus der Atomkraft. Weil aber 29 der insgesamt 56 Atomreaktoren wegen erheblicher Mängel stillstehen, will Macron sechs neue Reaktoren errichten lassen. Zwar soll die Verwendung von Kernenergie in Frankreich auf 50 Prozent gesenkt werden, jedoch hat Macron das Zieldatum dafür von 2025 auf 2035 verschoben.
Im Nachbarland Belgien steht der Ausstieg aus der Atomkraft nach wie vor auf dem Plan – allerdings zehn Jahre später. Statt 2025 sollen die sieben – teils in die Jahre gekommenen – Reaktoren 2035 vom Netz gehen. Auch Spanien hält am Atomausstieg fest, hat dafür aber einen groben Zeitrahmen von acht Jahren angegeben: Zwischen 2027 und 2035 soll der Ausstieg passieren.
In Schweden wurde schon 1980 der Atom-Ausstieg beschlossen. Doch noch immer betreiben die Skandinavier sechs der damals zwölf Reaktoren. Mittlerweile gibt es sogar die Überlegung, wieder neue AKWs an den alten Standorten zu bauen.
Der Osten von Europa plant vielmehr einen Einstieg als den Ausstieg aus der Atomkraft. Polen will mit dem Atomeinstieg seinen Kohleausstieg bewerkstelligen. 2033 soll der erste von sechs Meilern ans Netz gehen. In Ungarn sollen zwei zusätzliche Reaktorblöcke entstehen, und Rumänien plant ein Mini-AKW mithilfe von US-Technik. In der Türkei wird seit 2015 das erste AKW namens Akkuyu gebaut – mitfinanziert vom russischen Staatsunternehmen Ros-atom. 2023 soll die Anlage in Betrieb genommen werden.
Die USA sehen in einem generellen Atomausstieg kein Thema. Momentan betreibt das Land mit 93 Meilern die meisten in der Welt. Die US-Regierung hat bereits vor dem russischen Angriffskrieg ein Hilfsprogramm von sechs Milliarden Dollar für Kraftwerksbetreiber angekündigt. Der Bundesstaat Kalifornien wollte sich eigentlich bis 2025 aus der Atomenergie verabschieden – will jetzt aber für sein letztes AKW an dem Hilfsprogramm aus Washington teilnehmen.
Sogar in den öl- und sonnenreichen Vereinigten Arabischen Emiraten laufen seit 2020 zwei neue Atomreaktoren, 2023 kommt ein dritter hinzu. Und China plant zu seinen 54 Atomstromerzeugern weitere 150 – bis zum Jahr 2035. L. HUDELMAIER