Moskau dreht den Gashahn weiter zu

von Redaktion

Während bei Nord Stream 1 die Wartung beginnt, gehen auch Lieferungen nach Österreich und Italien zurück

Lubmin – Über die zuletzt wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland erfolgen seit Montagmorgen keine Lieferungen mehr. Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ist wie erwartet für Wartungsarbeiten abgeschaltet worden. Ab 6.00 Uhr hätten keine Lieferkapazitäten mehr zur Verfügung gestanden, sagte ein Sprecher der Nord Stream AG.

Die Abschaltung, die offiziell für zehn Tage geplant ist, findet zu einem Zeitpunkt großer Sorge um die Gasversorgung und einen möglicherweise dauerhaften Lieferstopp statt. Dabei spielt auch die Diskussion über eine Turbine von Siemens Energy eine Rolle, die nach ihrer Wartung nun wieder ausgeliefert werden soll. Das russische Staatsunternehmen Gazprom hatte im Juni die Liefermenge durch die Pipeline deutlich gedrosselt und auf die fehlende Turbine verwiesen, die zur Reparatur nach Kanada geschickt worden war.

Siemens Energy kündigte nun an, die Turbine „so schnell wie möglich zu ihrem Einsatzort“ zu bringen. Die politische Entscheidung der kanadischen Regierung, die Ausfuhr zu erlauben, sei ein „notwendiger und wichtiger erster Schritt“, erklärte ein Sprecher. „Aktuell arbeiten unsere Experten mit Hochdruck an allen weiteren formalen Genehmigungen und der Logistik.“

Dass im Westen immer weniger Gas ankommt, hängt aber weiterhin nicht allein an Nord Stream 1 und einem regulären Stopp. Gazprom kürzte gestern auch seine Lieferungen an Österreich weiter. Der dortige Energieversorger OMV teilte mit, Gazprom habe ihn darüber informiert, dass in Baumgarten nahe der slowakischen Grenze rund 70 Prozent weniger Gas ankomme als bestellt. Kurz zuvor hatte schon der italienische Energieversorger Eni mitgeteilt, es komme weniger Gas aus Russland an. Die Menge sank im Vergleich zu den Vortagen um rund ein Drittel. Gazprom hatte seine Lieferungen nach Italien, Österreich und Frankreich schon Mitte Juni reduziert.

Angesichts dieser Entwicklung planen Deutschland und Tschechien ein gemeinsames Erdgas-Solidaritätsabkommen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und der tschechische Industrie- und Handelsminister Jozef Sikula unterzeichneten in Prag eine entsprechende Absichtserklärung. Tschechien ist fast komplett von russischen Gasimporten abhängig.

Dem Präsidenten der Bundesnetzagentur Klaus Müller zufolge gibt es unterschiedliche Signale aus Moskau zu künftigen Lieferungen. Auf der einen Seite gebe es Aussagen von Kreml-Sprechern, man könne in Kombination mit der zugesagten Lieferung der Turbine wieder wesentlich mehr Gas liefern, sagte Müller im ZDF. Auf der anderen Seite habe es auch sehr martialische Ansagen gegeben. „Ehrlich gesagt, es weiß keiner“, sagte Müller.

Im schlimmsten Fall gebe es mehrere Szenarien, in denen Deutschland in eine Gas-Notlage rutsche. Es komme auf diverse Faktoren an, etwa die Beschaffung von Terminals für Flüssiggas und wie schnell man mit der Einsparung von Gas vorankomme, sagte Müller. Aus Sicht der Bundesnetzagentur gelte es auch, ein Nord-Süd-Gefälle zu verhindern. Daher würden die Speicher im Süden gezielt gefüllt.  dpa/mm

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