München/Wien – Der Mitarbeiter hat vier Beine und heißt so, wie er aussieht. „Energy Dog“ ist eine treffende Beschreibung für einen Industrieroboter, der Kontrollrundgänge in Kraftwerken macht und Probleme sowie sonstige Auffälligkeiten aufspürt. Robert Habeck ist bei seinem Besuch in Simmering, im elften Wiener Bezirk, durchaus beeindruckt.
Probleme gibt es rund um die europäischen Kraftwerke wahrlich genug, nur leider wird der „Energy Dog“ bei ihrer Lösung keine Hilfe sein. Habeck macht in diesen Tagen deshalb nichts anderes als in den vergangenen Monaten. Er schmiedet Allianzen, bündelt Kräfte, beschwört gemeinsame Ziele und sucht Wege aus der erdrückenden Abhängigkeit von russischem Gas.
Nachdem er am Montag bereits ein Solidaritätsabkommen mit Tschechien auf den Weg gebracht hat, setzt er gestern in Wien seinen Namen unter ein ähnliches Papier. Man befinde sich „in einer Schicksalsgemeinschaft“, sagte Habeck. An den Flüssiggas-Terminals etwa, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat und die nach jetziger Planung bereits im Winter in Betrieb gehen, sollen sich österreichische Firmen beteiligen können. Zudem plädieren beide Länder dafür, die internationale Kooperation beim Gaseinkauf zu forcieren, um ein Wettbieten zwischen EU-Ländern zu verhindern.
„Wir sind aufeinander angewiesen“, sagt dann auch die zuständige Wiener Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) über die deutsch-österreichische Energiepolitik. Als Binnenland fehlt der Alpenrepublik der direkte Zugang zu Häfen. Dafür bietet sie riesige Speicher wie die Anlage in Haidach bei Salzburg, die die zweitgrößte in Mitteleuropa ist, direkt an das deutsche Gasnetz angeschlossen und besonders für Bayern wichtig. Weite Teile des Speichers sind aktuell allerdings leer. Während der Gazprom-Konzern die Lieferungen eingestellt hat, ist der Teil, der unter deutscher Regie betrieben wird und ein Drittel des Gesamtvolumens ausmacht, auch nur zu 53 Prozent befüllt.
Beruhigend sind solche Zahlen nicht. Unermüdlich warnt Habeck deshalb vor den Folgen einer Mangellage und bereitet die Bürger auf die damit verbundenen Härten vor. In Wien stellt er nun sogar die Priorisierung von privaten Haushalten gegenüber der Industrie infrage.
Auch sie müssten „ihren Anteil leisten“, deutet er an. Die europäische Notfallverordnung Gas sehe zwar vor, „dass die kritische Infrastruktur und Verbraucher geschützt sind und Industrie und Wirtschaft nicht“. Diese Abstufung sei aber vor allem dann sinnvoll, wenn es sich um kurzzeitige oder regionale Störungen handle. Davon kann angesichts eines Krieges von nicht absehbarer Länge und massiven Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Energielieferanten Russland keine Rede mehr sein. „Wir reden hier möglicherweise von einer monatelangen Unterbrechung von Gas-Strömen“, erinnert Habeck. Deshalb müsse die bisherige Position hinterfragt werden.
Dem Land stehen unruhige Zeiten bevor, Gewissheiten gibt es keine. Wie weit Moskau nach Abschluss der Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 und dem Einbau einer jüngst reparierten Turbine seinen vertraglichen Pflichten nachkommen wird, ist völlig offen. Gestern meldete der Gazprom-Konzern, man habe die Lieferungen über die Ukraine nach Europa leicht erhöht. Ein Antrag, einen weiteren Eingangspunkt zu nutzen, sei von der Ukraine abgelehnt worden.
Die Bundesnetzagentur reagierte auf das vermeintliche Entgegenkommen jedoch kühl. Wenn Moskau ernsthaft die Absicht habe, Liefermengen zu erhöhen, gäbe es jederzeit die Möglichkeit, sagte ihr Präsident Klaus Müller dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dazu fehle „Wladimir Putin offenbar der politische Wille“.
Da überrascht es wenig, dass die Debatte um eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten Habeck selbst im Ausland verlässlich einholt. Auch gestern wurden aus Union und FDP wieder Stimmen laut, die drei verbliebenen Meiler am Netz zu lassen. Der Minister aber bleibt bei seiner Absage. Es gehe vor allem um die Bereiche Wärme und Industrie: „Und da hilft uns Atomkraft gar nichts.“