Washington – Die Straße vor der Botschaft Saudi-Arabiens in Washington hat seit Kurzem einen neuen Namen: „Jamal-Khashoggi-Weg“ heißt sie nun. Und die Verwaltung der US-Hauptstadt ließ das neue Straßenschild nicht zufällig direkt vor der diplomatischen Vertretung anbringen. Khashoggi wurde im Herbst 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet, nach Überzeugung der US-Geheimdienste steckte Kronprinz Mohammad Bin Salman hinter der Bluttat. Der faktische Herrscher Saudi-Arabiens – auch unter dem Kürzel MbS bekannt – gehört zu jenen Würdenträgern, die Joe Biden bei seiner ersten Nahost-Reise als US-Präsident treffen wird.
Biden wird an diesem Mittwoch in Israel erwartet, wo er Gespräche mit Übergangs-Regierungschef Jair Lapid führen will. Anschließend ist im Westjordanland ein Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geplant. Danach fliegt Biden nach Saudi-Arabien, wo er am Gipfel des Golf-Kooperationsrats in Dschiddah teilnehmen will. Nach Angaben des Weißen Hauses kommt er außerdem mit König Salman und dessen „Führungsteam“ zusammen, in dem auch der Kronprinz ist. Die saudische Botschaft in Washington kündigte „offizielle Gespräche“ zwischen MbS und Biden an. Seit Bekanntwerden der Reise hagelt es Kritik.
Khashoggi schrieb als Kolumnist für die „Washington Post“, in derselben Zeitung wandte sich nun seine Verlobte Hatice Cengiz an Biden. „In einer Zeit, in der die Angriffe auf die Pressefreiheit einen historischen Höchststand erreicht haben, wird Ihr Besuch Ihren Ruf schädigen und Autokraten in aller Welt die Botschaft vermitteln, dass sie Journalisten ohne Konsequenzen inhaftieren, foltern oder sogar ermorden können“, hieß es in dem Gastbeitrag.
An kaum eine Aussage aus seinem Wahlkampf wurde Biden vor seiner Reise häufiger erinnert als an diese: „Wir werden sie tatsächlich dazu bringen, den Preis zu zahlen, und sie zu dem Außenseiter machen, der sie sind“, hatte er als Kandidat im November 2019 im Zusammenhang mit dem Mord an Khashoggi versprochen, gemeint war die saudische Führung. Vor der Nahost-Reise sagte ein US-Regierungsvertreter dem Sender CNN nun mit Blick auf die Saudis und den Mord: „Beide Seiten sind zu dem Schluss gekommen, dass wir im Interesse des Friedens und der Stabilität im Nahen Osten die Sache hinter uns lassen müssen.“
Biden rechtfertigte sich vor dem Besuch in einem Gastbeitrag für die „Washington Post“: „Ich weiß, dass es viele gibt, die mit meiner Entscheidung, nach Saudi-Arabien zu reisen, nicht einverstanden sind“, schrieb er. Menschenrechte blieben eine Priorität. Die USA müssten aber auch Russlands Aggression entgegentreten, sich im Wettbewerb mit China behaupten und sich für Stabilität im Nahen Osten einsetzen. „Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir direkt mit Ländern zusammenarbeiten, die diese Ergebnisse beeinflussen können. Saudi-Arabien ist eines.“
Insgesamt geht es bei Bidens Reise um die vielen Konflikte im Nahen Osten, um die durch den Ukraine-Krieg verschärfte Energiekrise – und um den Umgang mit dem gemeinsamen Feind Iran. Der US-Präsident steht unter gehörigem Druck, Erfolge zu liefern und seinen Kritikern so zumindest etwas Wind aus den Segeln zu nehmen. Wie die Aussichten dafür sind? Das Magazin „Foreign Policy“ schrieb zum Besuch: „Mit wenigen Ausnahmen ist der Nahe Osten zu einem Ort geworden, an dem die Ideen von US-Präsidenten, insbesondere die großen, beerdigt werden.“