Berlin – Es sind verheerende neue Zahlen, hinter denen schreckliche Schicksale stehen: Auf der ganzen Welt hungern 811 Millionen Menschen, wie die Welthungerhilfe in ihrem Jahresbericht erklärt. Die Klimakrise, bewaffnete Konflikte und die Corona-Pandemie haben die Ernährungslage vor allem im globalen Süden dramatisch verschlechtert. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine habe die Situation durch steigende Nahrungsmittelpreise in den vergangenen Monaten noch einmal erheblich verschärft, erklärte die Organisation in ihrem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht 2021.
Dem Bericht zufolge steigt die Zahl der akut von Hunger bedrohten Menschen seit Monaten an und es kommt zu ersten Hungersnöten in Afrika. Die Nahrungsmittelpreise waren im Jahr 2021 bereits durch „multiple Krisen“ um 28 Prozent angestiegen – der Krieg in der Ukraine habe die Preise noch einmal deutlich ansteigen lassen.
„Von Afghanistan bis Zimbabwe kämpfen die Menschen mit Preissteigerungen für Brot, Getreide oder Obst um bis zu 60 Prozent“, erklärte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Marlehn Thieme. Dem Bericht zufolge führte die Pandemie zwar zu Notlagen in vielen Ländern, doch die größten Hungertreiber im Jahr 2021 waren die immer gravierenderen Auswirkungen des Klimawandels und die steigende Anzahl bewaffneter Konflikte.
Angesichts der Ernährungskrise und des Kriegs in der Ukraine rief Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) die ärmeren Länder auf, mehr Getreide selbst anzubauen, um sich unabhängiger von Weizenimporten zu machen. „Viele Länder sind sehr abhängig von Weizenlieferungen zum Beispiel aus der Ukraine. Um das zu ändern, muss vor Ort wieder mehr lokales Getreide angepflanzt werden“, sagte Schulze im RBB-Inforadio.
Sie warf zudem dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, Weizenausfuhren aus der Ukraine zu verhindern. „Man sieht, dass Putin Hunger als Kriegswaffe nutzt, dass er ganz bewusst die Häfen in der Ukraine bombardiert, sodass der Weizen nicht ausgeliefert werden kann“, sagte die Ministerin. Außerdem hat Russland rund 22 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen der Ukraine besetzt.
Die Welthungerhilfe schrieb in ihrem Bericht, dass die Anzahl der gewaltsamen Konflikte in den vergangenen Jahren „wieder zugenommen“ habe. „Kriege haben massive Auswirkungen auf das Ernährungssystem, weil etwa Felder niedergebrannt, Lagerbestände geplündert oder der Verkauf von Ernten eingeschränkt werden“, heißt es in dem Bericht.
Besonders dramatisch ist die Lage demnach im Jemen, in Afghanistan und im Südsudan – aber auch in Madagaskar und den Ländern Ostafrikas, wo der Klimawandel heftige Dürren auslöst.
Allein im Jahr 2021 hat die Welthungerhilfe nach eigenen Angaben in 36 Ländern mit 526 Auslandsprojekten rund 16,6 Millionen Menschen unterstützt. Der Großteil der Hilfen, insgesamt 190,5 Millionen Euro, floss in Projekte in Afrika, gefolgt von 55,6 Millionen Euro und 13 Projekten in Asien. afp/hud