Brüssel/Vilnius – Die EU-Kommission hat nach Protesten und Drohungen aus Moskau neue Leitlinien zum Transitverkehr zwischen Russland und dessen Ostsee-Exklave Kaliningrad erstellt. Russland darf demnach auf der EU-Sanktionsliste stehende zivile Güter wie Holz und Zement per Bahn ohne große Einschränkungen durch das EU-Land Litauen bringen. Straßentransporte dieser Güter von russischen Speditionen durch EU-Territorium bleiben aber untersagt. Zudem darf auch per Bahn nichts transportiert werden, das militärisch genutzt werden kann.
Die Regierung in Moskau hatte Litauen zuvor vorgeworfen, den Warenverkehr zwischen Russland und Kaliningrad in unzulässiger Weise zu beschränken und mit „praktischen“ Gegenmaßnahmen gegen das baltische EU- und Nato-Land gedroht. Konkret brachte Russland die Aufhebung des russisch-litauischen Vertrags über die Staatsgrenze ins Gespräch. Auch der Ausschluss Litauens aus einem gemeinsamen, synchron geschalteten Stromnetz stand im Raum.
Die Exklave Kaliningrad um das ehemalige Königsberg liegt zwischen den EU-Staaten Litauen und Polen. Sie ist nur etwa 500 Kilometer von Berlin, aber mehr als 1000 Kilometer von Moskau entfernt.
Auf die neuen Leitlinien hatte besonders Deutschland gedrungen. Die Bundesregierung befürchtete offenbar, dass durch den Transitstreit eine Eskalation der Spannungen mit Russland provoziert werden könnte.
Mit der neuen Leitlinie macht die EU-Kommission nun deutlich, dass sie das Transitrecht Russlands im Bahnverkehr über die rechtliche Sicht stellt, nach der Russland der Transport von Gütern über Litauen vor dem Hintergrund der Sanktionsverordnungen untersagt werden könnte. Die Verordnungen verbieten den Import bestimmter russischer Waren in die EU. Neben Holz und Zement ist beispielsweise auch die Einfuhr von Eisen- und Stahlerzeugnissen, Düngemitteln und Kaviar untersagt.
Offen ist noch, ob die neuen Leitlinien zu einer Entspannung der Lage beitragen. Dagegen spricht, dass Litauen den Warenverkehr zwischen Russland und Kaliningrad weiter mit Kontrollen verzögern kann. So bildeten sich am Mittwoch nach Angaben des litauischen Rundfunks an den Grenzübergängen längere Lkw-Schlangen.
Zum Transport von zivilen Gütern per Bahn hält die EU-Kommission fest, dass diese nur in den bislang üblichen Mengen befördert werden dürfen. Dazu soll es auch weiterhin zielgerichtete und effektive Kontrollen geben. Dadurch soll verhindert werden, dass Russland auf Sanktionslisten stehende Güter über Kaliningrad in andere Länder transportiert.
Derweil meldet die Ukraine im Krieg gegen Russland Erfolge. Die Besatzer bekämen zu spüren, „was moderne Artillerie ist“ und fänden nirgends in der Ukraine sicheres Hinterland, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj. Gemeint ist der Mehrfach-Raketenwerfer Himars, den die USA Kiew geliefert haben. Ein Vertreter der prorussischen Separatisten Luhansk sprach von massenhaftem Beschuss der Stadt in der Nacht zum Mittwoch. Die ukrainische Seite bestätigte, vor allem Militärdepots des Feindes würden vernichtet. dpa