Grafenwöhr – Es ist nur drei Jahre her, da liefen Schockwellen von Washington bis in die beschauliche Oberpfalz im Nordosten Bayerns. Aus Ärger über die niedrigen Verteidigungsausgaben Deutschlands drohte der damalige US-Präsident Donald Trump mit einem Teilabzug der US-Truppen. Sein Sprachrohr in Berlin, Botschafter Richard Grenell, schlug scharfe Töne an: „Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der US-Steuerzahler weiter mehr als 50 000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden.“
Das war im August 2019. Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gestern die US-Kaserne und den Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz besucht, sind solche harschen Sätze passé. Die Lage hat sich komplett geändert – schon mit dem Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden Anfang 2021 und erst recht mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. In Sachen Verteidigung hat Deutschland eine Zeitenwende ausgerufen. Und längst ist keine Rede mehr davon, 12 000 Soldaten aus Deutschland abzuziehen. Allein 4500 sollten es in Grafenwöhr sein. Dies gilt mit gut 12 500 Soldaten als der größte und modernste US-Standort in Europa.
Steinmeiers Besuch dort ist von hoher Symbolkraft. Gut 25 Jahre lang hat kein Bundespräsident mehr hierzulande stationierte US-Truppen besucht. „Frieden und Sicherheit – vielleicht haben wir das allzu lange als selbstverständlich angesehen“, sagt Steinmeier vor den Soldaten. Jetzt ist der Krieg zurück in Europa. „Als Präsident dieses Landes stehe ich heute vor Ihnen mit einer einfachen und klaren Botschaft: Danke!“
Es ist nicht das einzige Signal Steinmeiers in Grafenwöhr: „Meine zweite Botschaft an Sie lautet: Wir stehen zusammen in dieser schwierigen Zeit. Unser transatlantisches Bündnis ist stark!“ Steinmeier nimmt dabei auch das eigene Land in die Pflicht. „Wir stehen zu unseren Bündnisverpflichtungen und wir wissen, dass wir mehr tun müssen.“ Er versichert den US-Soldaten: „So, wie wir uns auf Sie verlassen, ist auch auf uns Verlass.“ Gemeinsam mit den Partnern sei Deutschland bereit, „jeden Quadratzentimeter des Nato-Territoriums zu verteidigen“.
Steinmeier setzt mit seiner Visite bei den Soldaten des großen Partners fort, was er bei zahlreichen Reisen zu den kleineren Verbündeten im Baltikum und an der Nato-Ostflanke getan hat. Es geht um Vertrauensbildung, weil die zögerliche militärische Hilfe für die Ukraine Zweifel an der deutschen Verlässlichkeit aufkommen ließ. Auch der Präsident selbst war ja in die Kritik geraten, wegen seines zu unkritischen Verhaltens gegenüber Moskau. Steinmeier, einst Vertrauter und Kanzleramtschef des inzwischen in Ungnade gefallenen Gerhard Schröder (SPD) und später unter Angela Merkel Außenminister, war deshalb vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky zur unerwünschten Person erklärt worden. Anfang Mai räumten die Präsidenten die Irritationen während eines Telefonats aus.
In Grafenwöhr sucht der Bundespräsident das persönliche Gespräch mit Soldaten, die fern ihrer Heimat Dienst tun. Er lässt sich auf dem trocken-staubigen Truppenübungsplatz Panzer zeigen. Die Besatzungen erklären ihr Fahrzeug und erzählen von ihrem Alltag. Manche sind schon seit einigen Jahren in Deutschland. Beim Essen (Burger und Cola) reiht sich der Präsident mit einem Tablett in den Händen an der Speisetheke ein.
Die Männer und Frauen scheinen sichtlich stolz, mit dem bekannten Besucher sprechen zu können. Dabei zeigt sich, wie verflochten viele von ihnen mit der Region sind: Sie fühlen sich in Grafenwöhr zuhause, manche leben auch in deutsch-amerikanischen Beziehungen oder Familien. Für die gesamte Region hat der US-Truppenübungsplatz eine große Bedeutung – auch als Wirtschaftsstandort sowie als Arbeitgeber für Deutsche.