„Die Strategie ist bisher nicht aufgegangen“

von Redaktion

Union ringt um ihre Linie zu Russland-Sanktionen – Merz fordert klare Kante gegenüber Moskau

München/Berlin – Wem schaden die Russland-Sanktionen mehr – Putin oder uns? In der Union setzt eine Debatte über mögliche Lockerungen ein. Der neue CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte am Freitag im Interview mit unserer Zeitung, man müsse den Druck gegenüber Russland aufrechterhalten, sehe aber schon: „Die Sanktionen treffen uns auch.“ Mehrere Politiker von CDU und CSU warnen in scharfen Worten vor Wackeln bei Sanktionen.

Der CDU-Europapolitiker Dennis Radtke nannte es falsch, die Sanktionen infrage zu stellen. „Eine Debatte über die Sinnhaftigkeit einer konsequenten Haltung ist toxisch. Wenn wir nicht alles für den Sieg der Ukraine tun, wachen wir in einer anderen Welt auf.“ Auch der CSU-Außenpolitiker Thomas Silberhorn schrieb auf Twitter, die „Bereitschaft der Deutschen, für Frieden und Freiheit Kosten und Entbehrungen in Kauf zu nehmen, ist deutlich größer, als manche in der Politik ihnen zutrauen“. Silberhorn sagte, es brauche eine „klare Abgrenzung statt Opportunismus gegenüber Russland bei Energielieferungen und Sanktionen“.

Auch CDU-Chef Friedrich Merz warnte, ohne sich auf die CSU zu beziehen, es sei „nur noch ein kleiner Schritt hin zum Verrat an der Ukraine. Wer die Ukraine verrät, der verrät auch unsere Freiheit und unsere Demokratie.“ Merz riet, nicht an „zunehmende Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung“ zu glauben.

Huber hatte in seinem Interview nicht konkret Lockerungen von Sanktionen verlangt. „Wir unterstützen die Ukraine aus Überzeugung, aber wir müssen auch auf die eigene Bevölkerung schauen“, bekräftigte er am Wochende – auf der Linie von Parteichef Markus Söder, der ergänzt: „Die Strategie, Russland mit Sanktionen schnell in die Knie zu zwingen, ist bisher nicht aufgegangen.“

In der CSU gibt es vor allem Sorgen vor einem Dilemma in der Gas-Politik, die bisher wenig von Sanktionen getroffen ist. Heikles Szenario: Nach der bis Donnerstag angesetzten Wartung der Pipeline Nord Stream 1 dreht die russische Seite den Gashahn nicht mehr auf, Verweis auf vorgebliche technische Probleme. Dass dann aber Kreml-Chef Wladimir Putin anbietet, das gleiche Gas über Nord Stream 2 zu senden – wie soll die deutsche Seite reagieren? Und wie Bayern, das noch stärker als andere Bundesländer auf Gas angewiesen war?

Das Bild in der öffentlichen Meinung ist nicht eindeutig. Einerseits gibt es im ZDF-Politbarometer eine Mehrheit für die abstrakte Frage, ob man die Ukraine trotz hoher Energiepreise bei uns weiterhin unterstützen solle. Dafür sind 76 Prozent der Unionswähler. (SPD: 83; Grüne: 95; FDP: 69; Linke: 45; AfD: 14).

Andererseits zweifelt eine Mehrheit der Deutschen laut einer Insa-Umfrage für „Bild“ an der Wirksamkeit der Russland-Sanktionen. 47 Prozent meinen, dass die Sanktionen Deutschland mehr schaden als Russland. 36 Prozent glauben, dass die Strafmaßnahmen beiden gleichermaßen schaden. Nur zwölf Prozent schätzen, dass Moskau härter getroffen werde. Drei von vier Befragten rechnen mit einem wirtschaftlichen Abschwung und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit bei uns. 83 Prozent glauben, dass die Preise weiter steigen werden.

Die Grünen verteidigen die Sanktionen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr stellte sogar weitere Sanktionen in Aussicht: „Die Frage einer Verschärfung stellt sich insbesondere, wenn Russland die Gaslieferungen vertragswidrig reduziert oder einstellt.“

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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