Moskau/Teheran – Wladimir Putin geht auf Reisen. Meist nimmt der Kremlchef an internationalen Treffen derzeit nur per Videoschalte teil – während andere Staatschefs nach dem Höhepunkt der Corona-Pandemie wieder durch die Welt jetten. Nun aber hat der Kreml für heute einen Besuch des russischen Präsidenten im Iran angekündigt. Es ist erst Putins zweite Auslandsreise seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine.
Ende Juni hatte der Kremlchef die verbündeten Länder Tadschikistan und Turkmenistan besucht. Nun geht es erstmals wieder raus aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion – allein das wirft ein Schlaglicht auf den Trip. Hinzu kommt, dass sich Putin im Nahen Osten ausgerechnet mit US-Präsident Joe Biden quasi die Klinke in die Hand gibt. Biden war am Wochenende noch in Saudi-Arabien, dem großen regionalen Rivalen Irans. Es ist sein erklärtes Ziel, den Einfluss des Irans, aber auch den von Russland und China in der Region zurückzudrängen. „Wir werden im Nahen Osten kein Vakuum hinterlassen, das Russland oder China füllen können“, sagte Biden. Sprich: Angesichts der sich weiter verhärtenden Fronten zwischen Ost und West wollen die USA im Nahen Osten eigene Interessen festigen. Ähnliches dürfte auch Putin für sein Land im Iran wollen.
Seit dem Einmarsch in die Ukraine und den darauf folgenden Sanktionen will der Kreml demonstrieren, dass er noch Freunde hat in der Welt. Wiederholt kündigte Moskau an, seine Wirtschaftsbeziehungen mit großen Schwellenländern auszubauen, und verweist dabei auf Öllieferungen nach China oder Handelspartnerschaften mit Indien. Auch der Iran, wo Putin neben Präsident Ebrahim Raisi den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan treffen will, gilt als Verbündeter Russlands – aus Teheraner Sicht aber eher aus der Not heraus.
Nach der Revolution 1979 lautete die außenpolitische Doktrin des Irans lange: „Weder West noch Ost, nur die islamische Republik.“ Bis heute arbeiten iranische Privatunternehmen oft ungern mit Russen zusammen. Auch in politischen Kreisen ist zu hören, Russland sei kein verlässlicher Partner. Und insbesondere Putin nicht. Doch wegen seines umstrittenen Atomprogramms und US-amerikanischer Sanktionen ist Teheran isoliert und auf Moskau als Partner angewiesen. Wirtschaftlich haben beide Länder zwar nur ein verhältnismäßig kleines Handelsvolumen von etwa vier Milliarden Euro. Zugleich aber ist Russland an wichtigen Projekten wie dem Kernkraftwerk Buschehr am Persischen Golf beteiligt. Moskau unterstützt Teheran auch mit militärischer Ausrüstung.
Offiziell geht es bei dem Treffen von Putin, Raisi und Erdogan um eine Verbesserung der Lage im Bürgerkriegsland Syrien. Auch hier ziehen Moskau und Teheran an einem Strang, beide unterstützen den im Westen geächteten syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Erst am Samstag wurde bekannt, dass eine noch für Juli geplante neue Runde der Syrien-Verfassungsgespräche mit Vertretern der syrischen Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft in Genf abgesagt wurde. Ein Grund wurde zunächst nicht genannt. Zuvor hatte sich Russland für eine Verlegung der Gespräche ausgesprochen – mit der Begründung, dass die Schweiz aufgrund ihrer Sanktionen gegen Moskau ihre Neutralität verloren habe.
Die USA vermuten, Russlands Interesse am Iran könnte aktuell ganz andere Gründe haben: Es gebe Hinweise, dass Moskau iranische Kampfdrohnen für den Krieg erwerben wolle, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter. So habe offenbar eine russische Regierungsdelegation einen iranischen Flughafen für eine Vorführung angriffsfähiger Drohnen besucht. Ähnliches hatte zuletzt schon der nationale Sicherheitsberater von Biden, Jake Sullivan, erklärt. Der Iran dementierte das umgehend – was den Krieg angehe, sei Teheran neutral.